Vom 7. bis zum 13. November 1938 wurden in ganz Deutschland tausende Synagogen, Geschäfte und Wohnungen geplündert, verwüstet und in Brand gesteckt und mehr als 800 Juden ermordet. Trauriger Höhepunkt der Novemberpogrome war die Nacht vom 9. auf den 10. November. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger, obwohl eigentlich vertraute Nachbarn, wurden von Nazi-Verbrechern gemeinsam mit biederen Mitläuferinnen und Mitläuferverfolgt, misshandelt und ermordet. Millionenfach wurde weggesehen – auch in Monheim am Rhein.
In Erinnerung an die Opfer der Pogrome organisiert die Stadt jedes Jahr eine offene Gedenkveranstaltung. Wegen der Corona-Pandemie soll das Gedenken in diesem Jahr in anderer Form stattfinden: Von Freitag, 6. November, bis Sonntag, 15. November, lädt die Stadt unter dem Motto „Erinnern statt Vergessen“ zum Reinigen der verlegten Stolpersteine ein. „Der Gedenktag bleibt ein wichtiges Zeichen gegen Diskriminierung und Antisemitismus. Und dieses Gedenken kann in vielen verschiedenen Formen stattfinden“, erklärt Dafna Graf, städtische Koordinatorin für das Stolperstein-Projekt. „Unsere Stolpersteine setzen mit der Zeit eine dunkle Patina an. Das Reinigen der Steine entfernt die Spuren der Zeit und bringt die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus wieder zum Vorschein. Es ist eine sehr individuelle Form und somit in Corona-Zeiten auch sichere Form des Gedenkens.“
Im Monheimer Stadtgebiet erinnern derzeit 64 Stolpersteine, die der Kölner Künstler Gunter Demnig verlegt, an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945. 2003 ließ die Stadt die ersten Stolpersteine verlegen. Zunächst wurde der Menschen jüdischen Glaubens gedacht, die entrechtet, verfolgt, deportiert und ermordet wurden. Zudem galt einer der ersten Stolpersteine dem katholischen Pfarrer Franz Boehm, der in Predigten Kritik an staatlicher Willkür geäußert und sich davon auch nicht durch Drohungen hatte abbringen lassen. Weitere Stolpersteine tragen die Namen von verstorbenen Zwangsarbeitskräften. Während des Zweiten Weltkriegs mussten in Monheim, Baumberg und Hitdorf über 1400 Menschen aus den von der Wehrmacht besetzten Ländern Zwangsarbeit in der Landwirtschaft, dem Handwerk und der Industrie leisten. Zusätzlich zu den Stolpersteinen verlegte Gunter Demnig vor der Gaststätte „Rheinterrassen Baumberg Beach“ an der Klappertorstraße eine Stolperschwelle für mindestens 44 französische Kriegsgefangene, die dort von 1940 bis 1945 interniert waren und entgegen der Genfer Konvention Zwangsarbeit leisten mussten. Während die Stolpersteine Einzelpersonen gewidmet sind, dienen die Stolperschwellen dem Gedenken an Opfergruppen. Welche Schicksale hinter den Stolpersteinen stehen und wo sie liegen, zeigt die Broschüre „Erinnern statt vergessen“. Sie liegt kostenlos aus im Bürgerbüro im Rathaus, Rathausplatz 2, und bei der Bücherstube Rossbach, Alte Schulstraße 35.
Auf den Stolpersteinen werden die Namen und Schicksale der Opfer in eine Messingplatte geschlagen. Die Platten entwickeln schnell eine Patina, die die Steine dunkel erscheinen lassen. Wenn sie zwei Mal im Jahr poliert werden, bleiben sie gut lesbar und die Erinnerung an die Opfer wach. „Natürlich könnten wir die Steine auch reinigen lassen. Aber das ist nicht die Idee des Projekts. Die Erinnerung an die Opfer bleibt nur wach, wenn wir selbst uns mit den Schicksalen auseinander setzen“, erklärt Graf.
Für die Reinigung wird lediglich ein rauer Schwamm, ein Putzmittel für Messingoberflächen, Küchenpapier oder Wischtuch und eine Flasche Wasser benötigt. Bei besonders dunklen Stolpersteinen hilft Essigessenz. Eine Putzanleitung gibt es unter www.monheim.de/stolpersteine. Wer das Projekt darüber hinaus unterstützen möchte, kann Putzpatin oder Putzpate für einen Stein werden. Informationen gibt es bei Dafna Graf unter Telefon 02173 951-640 oder per E-Mail an: dgraf@monheim.de. Im Herbst haben bereits Schülerinnen und Schüler der Peter-Ustinov-Gesamtschule unter der Leitung von Karoline Reetz und Teilnehmende der Lerninitiative Brandenburger Allee unter der Leitung von Gabriele Oesten-Burnus Steine geputzt. „Nutzen Sie die stilleren Tage des Lockdowns und nehmen Sie sich alleine oder mit der ganzen Familie Zeit für einen oder mehrere Steine und die Schicksale dahinter“, lädt Dafna Graf ein. (bh)
Putzanleitung für Stolpersteine
Broschüre „Erinnern statt Vergessen“ zu Monheimer Stolpersteinen