Die teils monumentalen Skulpturen des Malers, Bildhauers und Dichters Professor Markus Lüpertz finden sich auf zahlreichen Plätzen und Bauten Deutschlands. In Reichenberg geboren und in Rheydt aufgewachsen wurde er in West-Berlin in den 1960er-Jahren zu einem Protagonisten einer neuen figurativen Malerei mit expressiven Zügen. Nach Professuren in Karlsruhe und Düsseldorf prägte er über 21 Jahre hinweg als Rektor die Kunstakademie in der nordrhein-westfälischen Landeshauptstadt.
Sein Stil zeichnet sich durch eine kraftvolle Bildsprache und einen Zug zum Monumentalen aus. Er berührt in seiner Kunst Tabus und stellt sich einem eingängigen Schönheitsideal entgegen. Die Auseinandersetzung mit antiken Mythen und die Beschäftigung mit der europäischen Kulturgeschichte spiegelt sich in vielen seiner Arbeiten wider. Dabei überraschen seine Werke oft durch provozierende Radikalität, die nicht selten auch öffentliche Kontroversen auslösen.
Gestalt mit Gans als mythologische Figur
Für das Monheimer Rheinufer schuf Markus Lüpertz die 3,6 Meter hohe Bronzeskulptur einer mächtigen weiblichen Gestalt mit Gans, wie alle seine Plastiken farbig gefasst. Die aufrecht stehende Figur mit geneigtem Haupt wird zu ihrer Linken von einer Gans liebkost. Sie richtet ihren Schnabel zum Gesicht der Frauenfigur und es ist unklar, ob sie ihr einen Kuss gibt oder etwas ins Ohr flüstert. Inspiriert war der Künstler bei der Gestaltung von zwei unterschiedlichen Motiven, der Gänseliesel als Protagonistin aus dem Monheimer Stadtwappen und Stadtlogo sowie der mythologischen Figur der Leda.
Markus Lüpertz vereint beide Motive und Erzählungen miteinander und greift dabei auf ein Vorbild Leonardo da Vincis zurück. Der italienische Künstler schuf um 1500 eine bekannte Darstellung der Leda, die vom griechischen Gottvater Zeus in der Gestalt eines Schwans geliebt wird. Der mythologischen Erzählung folgend, zeugte er mit ihr die schöne Helena und ihre Schwester Klytemnestra, die beide in einem Ei ausgebrütet wurden.
Ein uraltes Motiv
Auch andere Kunstschaffende griffen die Erzählung und das Motiv in ihren Werken auf, wobei etwa Michelangelo um 1530 einen anderen, oft kopierten Entwurf lieferte. Die Gestalt der Leda wurde dabei in ihrer Körperlichkeit immer wieder dem individuellen Geschmack des Künstlers angepasst, wie beispielsweise in der Version von Paul Cezanne. Mit Cezannes Arbeit verbindet Markus Lüpertz die bewegte Oberflächengestaltung, durch die ihre jeweiligen künstlerischen Mittel sichtbar werden. Bei Cezanne sind dies die abgehakt wirkenden Pinselstriche, bei Lüpertz das im Entwurf flexible plastische Material, das erst später in Bronze übersetzt wurde. Die Gestalt der Leda weicht dabei aus stilistischen Gründen, im Sinne der künstlerischen Freiheit, von der gängigen Gestalt der schlanken und eher grazilen Gänseliesel ab und interpretiert diese athletisch als denkbaren Gegenentwurf. Der augenfällige Verstoß gegen Erwartungen und Schönheitsideale war schon bei Cezanne ein Punkt der zeitgenössischen Kritik, bis später ein vertieftes Verständnis für freien künstlerischen Ausdruck einen milderen Blick ermöglichte.
geb. 1941 in Liberec/Reichenberg, 1948 Umsiedlung nach Rheydt, 1962 Umzug nach West-Berlin, lebte und arbeitetr uunter anderem in Karlsruhe und Mönchengladbach
1956–1961 Studium an der Werkkunstschule Krefeld bei Laurens Goossens
Anfang der 1960er-Jahre: Studienaufenthalt im Kloster Maria Laach, Studium an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
Ehrungen
1970 Villa-Romana-Preis
1971 Preis des Deutschen Kritikerverbandes
1990 Lovis-Corinth-Preis
2006 Dr. h.c. an der Kunstakademie Breslau/Akademia Sztuk Pięknych im. Eugeniusza Gepperta we Wrocławiu
seit 2009 Ordentliches Mitglied der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste
2013 Internationaler Mendelsohn-Preis zu Leipzig
2016 Ehrenbürger der Stadt Liberec / Čestný občan města Liberce
Lehrtätigkeit
1976–1986 Professor an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe
ab 1986 Professor an der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
1988–2009 Rektor der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf
Gruppenausstellungen (Auswahl)
1969 „14 x 14“, Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
1977 „documenta 6“, Kassel
1981 „A New Spirit in Painting“, Royal Academy of Arts, London
1982 „documenta 7“, Kassel
1982 „Zeitgeist“, Martin-Gropius-Bau, Berlin
1983 „17. Biennale von São Paulo“
1984 „von hier aus“, Messegelände, Düsseldorf
1985 „German Art in the 20th Century“, Royal Academy of Arts, London
1989 „Bilderstreit“, Museum Ludwig/Rheinhallen, Köln
1997 „Deutschlandbilder“, Martin-Gropius-Bau, Berlin
2009 „Art of Two Germanys / Cold War Cultures“, The Los Angeles County Museum of Arts
2013 „Artzuid“, Amsterdam
2014 „Germany divided“, British Museum, London
2016 „Baselitz, Lüpertz, Penck, Immendorff“, Gemeentemuseum, Den Haag
2017 „Deutschland 8 – Deutsche Kunst in China“, Tai Miao Tempel / Verbotene Stadt, Peking
Einzelausstellungen (Auswahl)
1965 Galerie Großgörschen 35, West-Berlin
1969 Galerie Hake, Köln
1973 Staatliche Kunsthalle Baden-Baden
1974 Galerie Michael Werner, Köln
1976 Galerie Rudolf Zwirner, Köln
1977 Hamburger Kunsthalle, Hamburg
1979 Whitechapel Art Gallery, London
1979 Josef-Haubrich-Kunsthalle, Köln
1981 Marian Goodman Gallery, New York City
1983 Stedelijk Van Abbemuseum, Eindhoven
1983 Kestner-Gesellschaft, Hannover
1984 Wiener Secession, Wien
1986 Städtische Galerie im Lenbachhaus, München
1987 Museum Boijmans-van Beuningen, Rotterdam
1991 Centro de Arte Reina Sofia, Madrid
1994 Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig, Wien
1995 Museion, Bozen
1996 Kunstverein Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf
1999 Zeche Zollverein, Essen
2002 Museum Würth, Künzelsau
2006 BA-CA Kunstforum, Wien
2009 Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland, Bonn
2010 Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg
2011 Gemeentemuseum, Den Haag
2014 Museo de Bellas Artes de Bilbao
2014 Eremitage, St. Petersburg
2015 Musée d'Art Moderne de la Ville de Paris
2017 Hirshhorn Museum, Washington
2019 Haus der Kunst, München
Literatur (Auswahl)
Zweite, Armin (Hg.), Markus Lüpertz. Gemälde – Skulpturen, Ostfildern-Ruit 1996, ISBN 978-3-89322-839-3
Gohr, Siegfried, Markus Lüpertz, Köln 2002, ISBN 978-3-8321-7000-4
Fleck, Robert (Hg.), Markus Lüpertz. Hauptwege und Nebenwege; eine Retrospektive, Bilder und Skulpturen von 1963 bis 2009, Köln 2009, ISBN 978-3-940953-22-3
Weiterführende Webseite
Markus Lüpertz bei NRWskulptur