Monheim-Lexikon: Stadtrechte

1960: Monheim + Baumberg + Hitdorf = Stadt Monheim

Den ersten grundlegenden Innovationsschub erlebte Monheim während der Amtszeit von Bürgermeister Philipp Krischer. Von 1897 bis 1925 stand der preußische Beamte an der Spitze der Verwaltung. Nahezu alle heute als selbstverständlich empfundenen öffentlichen Einrichtungen und Dienstleistungen sind in Krischers Amtszeit entstanden, viele auf seine persönliche Initiative.

Die 1960er-Jahre können eine ähnlich hohe Bedeutung beanspruchen. Die gesamte Infrastruktur wurde modernisiert und die Leistungen der Kommune erheblich erweitert, etliche auch völlig neu erbracht. So gesehen, markiert die Verleihung der Stadtrechte 1960 nicht das verdiente Ende einer Entwicklung, sondern den Beginn einer Phase stürmischen Wachstums.

Wirtschaft und Wohnen

Im Zuge des „Wirtschaftswunders“ florierten in den Fünfzigerjahren die Industriebetriebe, zu denen in Monheim vor allem die Raffinerie der Deutschen Shell AG zählte; 1913 gegründet als Mineralölwerke Rhenania GmbH. Bis zu 600 Beschäftigte (1958 erreichter Spitzenwert) produzierten bis zur Schließung des Werkes 1987 rund um die Uhr Schmieröle und Bitumen – auch am Samstag, der zunächst noch regulärer Arbeitstag war.

Im werkseigenen Rheinhafen machten die mit Erdöl beladenen Tankschiffe fest. Auf Schiene und Straße wurden die aus dem Öl destillierten Produkte mit dem Muschel-Zeichen abtransportiert. Die Schwarz Pharma AG firmierte 1960 noch als Dr. Schwarz GmbH. Seit 1950 war der expandierende Arzneimittel-Hersteller an der Mittelstraße ansässig. Besonders traditionsreich war die Monheimer Brauerei, die ihre Ursprünge auf die Ersterwähnung einer Braustätte im Jahre 1262 zurückführte.

„Der industrielle Charakter haftet an der Deutschen Shell AG und der Rheinischen Pappenfabrik AG, die sich weit am Rhein ausdehnen. Das Industriezentrum, das den Wohlstand Monheims begründete, verrät sich schon von weit her in seinen Kamingruppen. Über 3250 Arbeiter finden in den modernen, der Wirtschaft dienenden Betrieben ihre Beschäftigung. Gemessen an diesen Großunternehmen müssen die übrigen Monheimer Betriebe – Spritwerke, Brennerei, Brauerei, Kettenwerk, Weber- und Strickereien, Kiesbaggereien, Baugeschäfte, Dachziegel- und Drahtfabriken sowie die pharmazeutische Industrie – als Mittel- und Kleinbetriebe gewertet werden. Insgesamt beschäftigt die Industrie ca. 3500 Menschen“, heißt es im Stadtporträt des „Heimat-Adressbuchs Rhein-Wupper-Kreis 1960“.

Der Verwaltungsbericht des Rhein-Wupper-Kreises zieht für die Jahre 1955 bis 1960 ebenfalls eine positive Bilanz: „Monheim [einschließlich Baumberg] ist eine finanzstarke Industriegemeinde, die in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Zuzug von neuen Industriebetrieben aufweisen kann. Daneben haben ortsansässige Unternehmen ihre Anlagen wesentlich verbessert und vergrößert. Der Bevölkerungszuwachs […] beträgt 1415 Personen, das sind rund 19 Prozent des Bevölkerungsstandes von 1955 (7857). Zur Behebung der Wohnungsnot hat die Gemeinde Monheim […] etwa fünf Hektar Bauland erschlossen und Bauwilligen zur Verfügung gestellt. Fast zwölf Kilometer Straßen wurden mit einem Aufwand von rund 1,5 Millionen Mark neu angelegt bzw. ausgebaut.“

Zur Lage der Stadt Hitdorf heißt es in dem Bericht: „Hitdorf ist Arbeiterwohnsitzgemeinde. Es hatte im Jahre 1955 3638 und 1960 3989 Einwohner.“ Nach dem Zusammenschluss von Monheim und Hitdorf gewann die Bevölkerungsentwicklung weiter an Dynamik. Bis 1971 stieg die Einwohnerzahl von rund 13.000 auf 40.000.

Das bebaute Ortsgebiet erweiterte sich bis auf den [intern]Sandberg und große, zuvor landwirtschaftlich genutzte Flächen in Monheim Süd und Baumberg Ost. Dort errichteten Siedlungsgesellschaften und Baukonzerne komplette Stadtteile mit Tausenden von Wohnungen.

Eine sichtbare Stadtmitte erhielt Monheim allerdings erst 1964 mit dem 43 Meter hohen Hochhaus an der Neustraße. Das bis dahin größte Monheimer Gebäude mit Platz für 350 Menschen sowie für Geschäfte und Lokale entstand auf dem Gelände der früheren Gärtnerei Holthausen. Der Ausdehnung der Wohnbebauung über die alten Ortskerne hinaus fielen auch historische Bauwerke zum Opfer, darunter der Verresberger Hof in Baumberg, an den nur noch ein Straßenname erinnert.

Heinrich Kirberg hat die Entwicklung 1991 zusammengefasst: „Mit einer Vielzahl von Bebauungsplänen, die ca. 300 Hektar bisheriges Ackerland umfassten, wurde die Bebauung für 211 Hektar Bauland in geordnete Bahnen gelenkt. In Monheim waren es die Gebiete Waldsiedlung, Sandberg, Blee und Monheim Süd; in Baumberg die Gebiete Nord-Ost und an der Sportplatzstraße.“

Automobil gegen Pferdestärke

Um 1960 waren Pferdefuhrwerke auf den Straßen noch kein ganz seltener Anblick, wurden aber rasch von Automobilen verdrängt. Laut „Verwaltungsbericht des Rhein-Wupper-Kreises 1955–1960“ waren am 31. Dezember 1959 auf die 13.621 Einwohner in Monheim, Baumberg und Hitdorf 2014 Kraftfahrzeuge und Anhänger zugelassen. Das entspricht einem Verhältnis von einem Kraftfahrzeug (einschließlich Lastwagen und Motorräder) auf 6,8 Einwohner.

Auf den gesamten Kreis mit einer Einwohnerzahl von 179.241 Menschen kam auf jeden siebten Einwohner ein Kraftfahrzeug und auf jeden 24. ein Kraftrad. Jeder 15. Einwohner des Rhein-Wupper-Kreises war im Besitz eines Personenkraftwagens. Der Verwaltungsbericht kommentiert: „Deutlich erkennbar ist […] die Abnahme der Zahl der Krafträder zu Gunsten der Personenkraftwagen. Das bisherige Fortbewegungsmittel des ‚kleinen Kraftfahrers‘ – das Kraftrad – weicht dem kleinen Personenkraftwagen.“ Vermerkt wird auch der stetige Rückgang der Pferdehaltung. 1959 gab es in Monheim immerhin noch 68 Pferde; in Hitdorf hingegen nur fünf.

Große Bedeutung hatte zunächst der Schienenverkehr. Auf den Gleisen der „Kleinbahn Langenfeld – Monheim – Hitdorf“ rollten Güterzüge und [intern]Straßenbahnen in dichter Folge. Doch das Auto wurde zum scharfen Konkurrenten der Straßenbahn. Im November 1962 verkehrte die letzte Straßenbahn zwischen Monheim und Baumberg.

Im Jahr darauf wurde auch der Personenverkehr zwischen Langenfeld und Monheim sowie zwischen Monheim, Hitdorf und Leverkusen-Rheindorf eingestellt. Seither wird der Nahverkehr ausschließlich mit [intern]Bussen betrieben.

Mehr Schulen für mehr Schüler

Die steigenden Schülerzahlen erforderten zusätzliche Klassenräume. Die 1960 in Monheim und Baumberg bestehenden drei Volksschulen wurden erweitert und neue gebaut. Rückblickend schrieb Heinrich Kirberg 1991: „Die Planung des Schulbaues gestaltete sich besonders schwierig, weil der Bedarf durch die rasante Bautätigkeit schwer prognostizierbar war. […] So mussten seit 1963 sechs Grundschulen, vier Hauptschulen, eine Sonderschule, zwei Realschulen, ein Gymnasium und eine Gesamtschule gebaut und neu gegründet werden. Diese erforderten 275 Schulklassen mit Fach- und Verwaltungsräumen […]“.

Rat und Wahlen

Vor der Stadtwerdung gab es in Monheim und Hitdorf insgesamt drei Ratsvertretungen, den Monheimer Gemeinderat, den Hitdorfer Stadtrat und den übergreifenden Amtsrat. Die Gremien setzten sich nach der Wahl vom 28. Oktober 1956, der letzten vor der Stadtwerdung, wie folgt zusammen:

  • Der Monheimer Gemeinderat hatte 18 Mitglieder, von denen neun der SPD angehörten, acht der CDU und einer dem Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE). Bürgermeister war Josef Jenniches (CDU), der nach der Stadtwerdung noch bis 1961 im Amt blieb.
  • Im Hitdorfer Stadtrat waren die Fraktionsstärken mit denen im Monheimer Gemeinderat identisch. Bürgermeister waren 1956 bis 1958 Josef Brock und 1958 bis 1960 Willi Broscheid (beide SPD).
  • Der Rat des Amtes Monheim hatte 24 Mitglieder. Auf die SPD entfielen zwölf Sitze, auf die CDU elf und auf den BHE ein Sitz. Amtsbürgermeister war Ferdinand Dicken (SPD).

Einkaufen bei „Tante Emma“

Lebensmittel kaufte man an der nächsten Ecke. Im [intern]„Tante-Emma-Laden“ wurde der tägliche Bedarf gedeckt. Laut Branchenteil des „Heimat-Adressbuchs“ kümmerten sich 1960 in Monheim 21 Geschäfte, in Hitdorf 17 und in Baumberg acht um die Kunden, die individuell bedient wurden. Supermarktketten kamen erst gegen Ende des Jahrzehnts in die junge Stadt und verdrängten nach und nach die kleinen Familienbetriebe.

Kultur, Brauchtum und Freizeit

Eine besondere Attraktion war bis 1962 die [intern]Freilichtbühne an der Kapellenstraße. 1951 hatte die Stadt damit begonnen, in den Sommermonaten Theateraufführungen und Konzerte unter freiem Himmel zu veranstalten. Besonders die Gastspiele mit dem Kölner Millowitsch-Theater waren ein Erfolg. Andere Darbietungen hingegen versanken im Regen oder fanden nur eine Handvoll Zuschauer. Das aufkommende Fernsehen fesselte immer mehr Menschen an die eigenen vier Wände. 1960 standen unter anderem „Krach um Jolanthe“ und „Der Lügner“ auf dem Spielplan der Freilichtbühne.

Inwieweit die [intern]Karnevalisten aus der Verleihung der Stadtrechte Funken schlugen, geht aus den Unterlagen im Stadtarchiv leider nicht hervor. Fest steht allerdings, dass Verwaltungschef Hugo Goebel an den Tollen Tagen nichts zu sagen hatte. Er musste den Rathausschlüssel an den närrischen Regenten abgeben. 1959 und 1960 war dies Helmut I. (Wynen). Einen solchen Doppelprinzen hat es in der Monheimer Karnevalsgeschichte seitdem nur noch einmal gegeben: 1990 und 1991 amtierte „Orkanprinz“ Hubert IV. (Rings).

Außer der Großen Monheimer Karnevalsgesellschaft (Gromoka, Vorsitzender: Richard Schmitz) und den Altstadtfunken (Josef Vollbach) sorgten 1960 auch die Neustadtfunken (Josefine Bützer) und der Karnevalsverein Baumberg (Peter Boes) für jecke Stimmung. In Hitdorf gab es das „Löstige Dutzend“ (Franz Junkersdorf).

Viele weitere Vereine machten sportliche, kulturelle, soziale und gesellige Angebote. Neben heute noch bestehenden Vereinen gab es 1960 beispielsweise einen DKW-Club (Vorsitzender: Karl Leuffen), eine Wirtevereinigung (Willi Steinkühler) und einen Fischer-Verein (Johann Schiefer).

Ein wichtiger Freizeitfaktor damals wie heute war der [intern]Rhein. Der Strom und seine malerische Kulisse luden ein zu ausgedehnten Spaziergängen und Radtouren. Bis in die Sechzigerjahre diente der Rhein im Sommer zudem als Strandbad.

Im Führer „Lohnende Wanderziele im Gebiet von Benrath und Zons, in der Heide, an den Rheinufern und am Niederrhein“ rühmte Autor Wilhelm Suter die Vorzüge der Rheinlandschaft. In blumiger Sprache schilderte Suter seine Beobachtungen in der Baumberger Natur:

„Maikäfer gibt’s die Menge. Schwerfällig segeln sie von Ast zu Ast, begrüßen einander mit fröhlichem Gebrumm und kosten den ersten, zarten Laubsalat. Und Tafelmusik haben diese tollpatschigen, faulen Kerle: mehrere Nachtigallen schlagen zugleich. Ich will diesen Weg ‚Nachtigallenpfad‘ taufen und ihn mir für jeden Maienmond merken.“ Der fabulierende Wandersmann schritt sodann am Rhein entlang Richtung Hitdorf. „Dieser Uferwanderweg ist ohne jeden Schatten. Die Mägdlein also, die gern recht knusprig braun werden möchten, haben hier Gelegenheit, es zu werden.“

In Hitdorf am Ziel angekommen, fand man Erholung bei einem Glas Pils aus der Hitdorfer Brauerei AG. Sogar bei der Weltausstellung 1958 in Brüssel sorgte das Bier für Furore. Das Adressbuch von 1960 beschreibt die Silhouette Hitdorfs: „Durch Fähr- und Schifffahrtsverkehr bedingt, sind hier Industrien entstanden, die sich ihre Eigenart und ein auf Harmonie abgestimmtes Verhältnis bewahrten. Nun lenkt vor allem das neue Sudhaus der Hitdorfer Brauerei die Sicht auf sich. Bei Tage ist das aus Klinkern erbaute Turmhaus bis weit hinaus ins linksrheinische Land zu erkennen, und abends leuchtet ein hohes Bierglas auf.“

Beliebt war auch die Besichtigung des Hafens und das Übersetzen mit der Autofähre nach Köln-Langel. Bis 1977 hatte auch Monheim an der Kapellenstraße unterhalb des Deusser-Hauses eine [intern]Fähranlegestelle. Der langjährige Fährmann Wilhelm Siepen brachte aber nur Personen und Fahrräder nach Piwipp und zurück.

Aus drei Gemeinden wird eine Stadt

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die Gemeinden Monheim und Baumberg sowie die Stadt Hitdorf zwar noch selbstständig, bildeten aber eine Verwaltungsgemeinschaft, das Amt Monheim. Sitz der Amtsverwaltung war Monheim, die Gemeinde mit den meisten Einwohnern und der stärksten Finanzkraft.

Bereits in den Zwanzigerjahren war der Gedanke aufgekommen, Monheim und Baumberg zu vereinen. Bürgermeister Philipp Krischer hatte sich 1921 in einer Denkschrift nachdrücklich für die Fusion eingesetzt. „Nur kleine Kirchtumsinteressen“ sprächen gegen die Fusion, schrieb Krischer. „Dass die Interessen Baumbergs in der neuen Gemeinde vernachlässigt werden könnten, ist […] nicht anzunehmen. […] Wenn noch in einzelnen Bevölkerungskreisen Baumbergs mit dem Gedanken umgegangen wird, dass auch ein Zusammenschluss mit Garath in Betracht komme, so ist hierzu zu sagen, daß Garath mit seinen wenigen, kaum 300 Einwohnern […] keinen Rückhalt für ein modernes Gemeinwesen bietet.“

Doch erst dreißig Jahre später war es soweit. Einstimmig beschloss der Baumberger Gemeinderat am 31. Juli 1950: „In dem Bewusstsein, dass bei der geringen Finanzkraft der Gemeinde Baumberg die im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben nicht oder nur ungenügend durchgeführt werden können, beschließt die Gemeindevertretung […] die Eingliederung in die Gemeinde Monheim.“

„Märchenprinz Monheim hat Baumberg wachgeküsst“

Die Vorgeschichte schildert Heinrich Kirberg in seinem Aufsatz „Monheim + Baumberg + Hitdorf = Stadt Monheim“ (1973): „Im Frühjahr 1950 ging von dem damaligen Bürgermeister Roßlenbroich in Baumberg erneut die Initiative aus […]. In einer gut besuchten und lebhaften Bürgerversammlung bekam die Baumberger Gemeindevertretung die Direktive, den Zusammenschluss mit Monheim zu betreiben. Es gab nicht einmal eine Gegenstimme! Dem […] Interesse der Großstadt Düsseldorf an Baumberg stellten sich die Bürger ganz entschieden entgegen und gaben zu Protokoll: ‚Lieber hundertmal nach Monheim als einmal nach Düsseldorf eingemeindet werden.‘“

Ziel dieser Neugliederung von unten war es, eine leistungsfähige Gesamtgemeinde mit einer bürgernahen Verwaltung zu schaffen. Aber auch wirtschaftliche Erwägungen sprachen dafür. Zwar hatte Baumberg einen ausgeglichenen Haushalt, aber keine Luft mehr für Investitionen. Heinrich Kirberg nannte 1973 einige Zahlen: „Im Jahre 1949 zählte [Baumberg] 2188 Einwohner, Monheim 4378. Baumberg hatte ein Gewerbesteuereinkommen von 18.000 DM, Monheim […] 538.000 DM. […] Das Haushaltsvolumen der Gemeinde Baumberg betrug 130.800 DM, das von Monheim 926.000 DM. Pro Kopf der Bevölkerung standen den Baumbergern 59 DM und den Monheimern 207 DM zur Verfügung. Durch den Zusammenschluss […] ergab sich ein Pro-Kopf-Betrag von 158 DM. Das Vermögen der Gemeinde Monheim war achtmal so groß wie das von Baumberg.“

Durch Beschluss der Landesregierung vom 6. Februar 1951 wurde Baumberg mit Wirkung zum 1. April 1951 in die Nachbargemeinde eingegliedert. Wenige Jahre später fiel die Bilanz durchweg positiv aus. Unter der Überschrift „Der Märchenprinz hat Wort gehalten“ stellte die Rheinische Post am 30. September 1959 fest, „dass der früher so stille Ort an der Düsseldorfer Stadtgrenze nach der Eingemeindung […] nicht als Stiefkind behandelt, sondern von dem reichen ‚Märchenprinzen‘ ganz nett aufgeputzt worden ist. […] Monheim hat bewiesen, dass es gewillt ist, die Versprechungen, die man Baumberg vor der Eingemeindung machte, auch einzuhalten. In den vergangenen sieben Jahren wurden alljährlich mindestens 200.000 Mark als freiwillige Ausgaben in den Ortsteil Baumberg ‚gepumpt‘. […] So wurde beinahe das gesamte Baumberger Straßennetz in Ordnung gebracht. Die Straßenbeleuchtung wurde modernisiert und vervielfacht. Der Friedhof wurde völlig neu gestaltet und darf heute als eine mustergültige und vorbildliche Ruhestätte angesprochen werden. Und worauf Baumberg besonders stolz ist: Die neue Schule und die moderne Turnhalle wurden gebaut.“

Mit Hitdorf war der Weg zur Stadt nicht mehr weit

Hitdorf, das seit 1857 Stadtrechte hatte, war für lange Zeit Hafen für das gesamte Bergische Land. Auf großen Schiffen kamen die Frachtgüter am Hitdorfer Kai an und wurden für den Transport nach Solingen, Remscheid oder Elberfeld auf Fuhrwerke umgeschlagen. Mit der Eröffnung des Langenfelder Bahnhofs an der Köln-Mindener Eisenbahn 1845 waren die besten Jahre allerdings vorüber. Das moderne, schnellere und billigere Verkehrsmittel beraubte den Hitdorfer Hafen seiner regionalen Bedeutung.

Für einigen Wohlstand sorgten aber weiterhin Tabak-, Bier-, Zündholz- und Holzindustrie, auch die Rheinfischerei mit den typischen Aalschokkern hatte noch bis in die Sechzigerjahre Konjunktur. Außerdem bot die Fähre eine Verbindung zur anderen Rheinseite und machte Hitdorf als Ausflugsziel attraktiv.

Mit Wirkung vom 1. April 1939 war die Stadt in das Amt Monheim eingegliedert worden. Nach dem Krieg bemühten sich einige Hitdorfer Kommunalpolitiker, die nicht demokratisch zustande gekommene Entscheidung rückgängig zu machen. Es blieb beim Versuch, denn es war nicht zu übersehen, dass Hitdorfs „goldene Zeit“, wie es 1957 Fritz Hinrichs nannte, endgültig vorüber war. Hitdorf konnte mit der wirtschaftlichen Entwicklung und Finanzkraft seiner Nachbarstädte nicht mehr mithalten. Der Hafen diente inzwischen fast ausschließlich als Umschlagplatz der Rheinischen Pappenfabrik AG in [intern]Monheim-Blee.

Das hundertjährige Bestehen der Stadtrechte wurde am 26. Oktober 1957 freilich noch ausgiebig gefeiert. „Dazu hatten sich viele Gäste und Freunde mit den Stadtvertretern und der Verwaltung sowie der örtlichen Prominenz eingefunden. Sie trafen sich in der Festhalle [Steinkühler], die aus diesem Anlass reichen Blumenschmuck angelegt hatte, wie die Stadt selbst sich auch im Schmuck vieler Fahnen und Fähnchen zeigte,“ berichtete die Rheinische Post.

Festredner war [extern]Fritz Hinrichs (1890–1976), Rektor im Ruhestand aus Leichlingen und Autor des Buchs „Hitdorf am Rhein. Chronik eines bergischen Hafens“, das an alle Haushalte kostenlos verteilt wurde. „Heute vor hundert Jahren ist Hitdorf das Stadtrecht verliehen worden. Wie sich damals die gesamte Bevölkerung zusammenfand, ihrer Freude Ausdruck gebend durch das Abbrennen bunter Feuer an der Rheinfront, durch einen Festzug und die Gestaltung einer Feier im Rheinischen Hof, so sind wir in dieser Feststunde zusammengekommen, um dieses Tages würdig zu gedenken, uns an Vergangenheit mit Ehrfurcht zu erinnern und uns auf die Zukunft der Stadt verantwortungsbewusst zu besinnen“, sagte Hinrichs laut Neue Rhein Zeitung (NRZ).

Den Jubiläumstag krönte ein Konzert mit einheimischen und auswärtigen Chören und Orchestern. „Es gab ein sehr eindrucksvolles, an musikalischen Gaben überreiches Programm, das sich vor allem zum Schluss einheitlich unter dem Leitgedanken der Treue zur Heimat deuten ließ“, urteilte die NRZ.

Hinrichs’ Mahnung, sich „auf die Zukunft der Stadt verantwortungsbewusst zu besinnen“ gab vielleicht schon einen Fingerzeig auf die weitere Entwicklung. Wie zehn Jahre zuvor in Baumberg machten sich die Bürgerinnen und Bürger mit dem Gedanken vertraut, den Zusammenschluss mit Monheim zu suchen. In einer außerordentlichen Sitzung votierte der Hitdorfer Rat am 22. Januar 1960 zwar einstimmig dafür, stellte aber drei Forderungen auf:

  • Erhaltung der Verwaltungs-Nebenstelle im Hitdorfer Rathaus
  • Erhaltung der Stadtrechte
  • Mindestens ein stellvertretender Bürgermeister für Hitdorf

In der Sitzung des Amtsrats am 15. Februar 1960 verlas Amtsbürgermeister Ferdinand Dicken (SPD, 1905–1973) einen ihm zugegangenen Brief von Hitdorfern Bürgern. Sie hatten moniert, dass dem Zusammenschluss keine Befragung der Bevölkerung vorausgegangen sei. Dicken bezeichnete die Absender als „die ewig Unzufriedenen“, denen „die Ursachen für den Zusammenschluss sowie die ganzen Zusammenhänge völlig unbekannt sind oder von einigen Böswilligen ignoriert werden.“

Amtsdirektor Hugo Goebel sagte laut Sitzungsprotokoll, „man dürfe die Sache nicht so tragisch nehmen, denn Mancher gebe bei solchen Gelegenheiten bekanntlich seine Unterschrift in völliger Unkenntnis der Dinge. Es gebe jetzt schon Personen von den 13 Unterzeichneten, die ihre Unterschrift widerriefen. Diese geringe Zahl von Bürgern verkörpere letzten Endes nicht den Willen der Bevölkerung.“

So sahen es auch die Mitglieder des Amtsrates, denn sie beschlossen einstimmig: „Die Vertretung des Amtes Monheim nimmt mit größter Freude davon Kenntnis, dass die beiden Vertretungen Hitdorfs und Monheims den einstimmigen Beschluss fassten, sich zusammenzuschließen und die Stadt Hitdorf nach Monheim einzugliedern. Der Rat […] beschließt, das Amt Monheim mit dem Tage, an dem die Beschlüsse die gesetzliche Sanktionierung erfahren, aufzulösen.“

Am 1. September 1960 trat das vom Landtag Nordrhein-Westfalen beschlossene „Gesetz über die Eingliederung der Stadt Hitdorf in die Gemeinde Monheim, Rhein-Wupper-Kreis“ in Kraft. Damit hatte Monheim aber noch nicht die Stadtrechte. Dazu bedurfte es eines Beschlusses der Landesregierung, der am 11. Oktober 1960 gefasst wurde: „Die Landesregierung hat […] der Gemeinde Monheim, Rhein-Wupper-Kreis, das Recht verliehen, die Bezeichnung ‚Stadt‘ zu führen.“

Die Urkunde zur Verleihung der Stadtrechte überbrachte am 9. Dezember 1960 Regierungspräsident Kurt Baurichter während einer Feierstunde. „Im grünen Schmuck prangte das Wappen der jungen Stadt Monheim, das Gänseliesel, hinter dem Rednerpult, von dem Bürgermeister Jenniches am gestrigen Freitag in den Kasinoräumen der Deutschen Shellwerke die Gäste begrüßte […] Regierungspräsident Baurichter gab einen kurzen Rückblick […] bis zur jetzigen Stadtwerdung von Monheim, das aus einer alten Bergischen Freiheit mit stadtähnlichen Rechten nunmehr wieder zu einem starken Gemeinwesen mit städtischem Gepräge geworden ist und in seiner geographischen Lage ein starkes Bindeglied zwischen Köln und Düsseldorf ist.“ (Düsseldorfer Nachrichten, 10. Dezember 1960)

Als Vertreter der Wirtschaft sprach Rolf Schwarz. „Aus dem Dornröschenschlaf einer kleinen Fischergemeinde am Rhein sei Monheim […] ein gefragter industrieller Anziehungspunkt geworden, wo man auch dem Wohnungsbau einen gebührenden Platz gab“, zitierten die Düsseldorfer Nachrichten. Vierzig Jahre später erhielt Dr. Rolf Schwarz-Schütte den Ehrenring der Stadt Monheim am Rhein, ebenso wie der langjährige Vorsitzende des Heimatbunds, Dr. Hans Kurt Peters. Auch er hatte beim Festakt zur Verleihung der Stadtrechte gesprochen:

„Die Bemühungen um eine Ausweitung des kulturellen Lebens seien das Geschenk des Heimatbundes an die junge Stadt. Im übrigen werde man den denkwürdigen Tag auf echt rheinische und ‚Monnemer‘ Art in einer festlich-fröhlichen Gratulationscour am Rosenmontag feiern.“ (Rheinische Post, 10. Dezember 1960)

Drei Tage nach der Feierstunde versammelte sich der Rat der Stadt Monheim zu seiner ersten Sitzung. Im Anschluss an die Beratung über den Haushalt für das Jahr 1961 beantragte der Ratsherr und spätere Bürgermeister Herbert Eickenberg (SPD), „den Angehörigen der Stadtverwaltung anlässlich der Stadtwerdung für ihre Mitarbeit ein kleines Präsent zukommen zu lassen.“ Einstimmig wurden daraufhin 4500 Mark für „kleine Erinnerungsgaben“ zur Verfügung gestellt.

Gemeinsam in die Zukunft

Voller Optimismus blickte die junge Stadt in die Zukunft: „Monheim mit einer gut geleiteten Stadtverwaltung unter Stadtdirektor Goebel, entwickelt sich zu einer finanziell gut fundierten industriereichen Wohnstadt mit einem guten, ausgedehnten Straßennetz, neuzeitlichen Schulen, Krankenhaus und städtischen Gebäuden, Elektrizitätswerk und Gemeinschaftswasserwerk, Kanal, vorbildlichen Sportstätten, Freilichtbühne, Reithalle.“ (NRZ, 25. Oktober 1960)

„Eine Entwicklung ungeahnten Ausmaßes“, resümierte Heinrich Kirberg 1973. Das war als Zwischenbilanz gedacht, doch die Kommunale Neugliederung drohte nach 14 Jahren den Schlussstrich unter die Stadtgeschichte zu setzen. Tatsächlich wurden Monheim und Baumberg 1975/76 für anderthalb Jahre Stadtteile von Düsseldorf. Hitdorf wurde für immer nach Leverkusen eingemeindet.

Die alte Gleichung „Monheim + Baumberg + Hitdorf = Stadt Monheim“ ging nun nicht mehr auf. Seither bilden Monheim und Baumberg die Stadt, die seit 1994 „Monheim am Rhein“ heißt.

Quellen

Stadtarchiv Monheim am Rhein

Akten Nr. 593, 594, 595, 809, 1100, 1290, 1291, 1292, 2562.

Zeitungsausschnitt-Sammlung Nr. 112-60, 130-10, 600-10, 603-00, 605-00, 611-00, 612-00.

Fotosammlung Nr. 1163, 1188, 1473, 2884, 2898, 3428, 4774, 5692.

Literatur

Amtsblatt der Bezirksregierung Düsseldorf, Jahrgang 1951, Nr. 10, S. 59/60.

Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, 14. Jahrgang, 1960.

Greulich, Josef / Hohmeier, Michael: Monheim am Rhein. Bewegte Zeiten – Die 50er und 60er Jahre, Wartberg Verlag, Gudensberg-Gleichen 1997.

Heimat-Adressbuch Rhein-Wupper-Kreis 1960, Verlag H. E. Kasper, Köln [1960].

Hinrichs, Fritz: Hitdorf am Rhein. Chronik eines bergischen Hafens, 1957.

Hinrichs, Fritz: Geschichte der Monheimer Höfe, 1959.

Hinrichs, Fritz: Monheim in wirtschafts- und verwaltungsgeschichtlicher Sicht [Von der alten Freiheit zur jungen Industriestadt], Eigenverlag der Stadt Monheim, 1962.

Hinrichs, Fritz: Monheimer Kulturbilder aus Geschichte und Gegenwart, Eigenverlag der Stadt Monheim, 1971.

Hohmeier, Michael: Freilichtbühne in Monheim – Theater am Rhein trotzte elf Jahre lang dem Regen, in: Journal 16. Jahrbuch des Kreises Mettmann 1996/97, Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 1996, S. 134–139.

Hohmeier, Michael: Von 1897 bis 1925 an der Spitze der Verwaltung – Mit Bürgermeister Krischer begann in Monheim die Moderne, in: Journal 19. Jahrbuch des Kreises Mettmann 1999/2000, Verlag Ph. C. W. Schmidt, Neustadt an der Aisch 1999, S. 94–98.

Kirberg, Heinrich: Monheim + Baumberg + Hitdorf = Stadt Monheim, in: Land an Wupper und Rhein. Heimatkalender 1973, hg. vom Rhein-Wupper-Kreis, Opladen 1972, S. 52–57.

Kirberg, Heinrich: Monheim – ein turbulentes Vierteljahrhundert macht Geschichte, in: Neuigkeiten aus alter Zeit. Der Kreis Mettmann und die Geschichte seiner 10 Städte, Meinerzhagener Druck- und Verlagshaus, Meinerzhagen 1991.

Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen, 13. Jahrgang, 1960.

Suter, Wilhelm: Lohnende Wanderziele im Gebiet von Benrath und Zons, in der Heide, an den Rheinufern und am Niederrhein, Droste-Verlag, Düsseldorf o. J. [frühestens 1951].

Verwaltungsbericht des Rhein-Wupper-Kreises 1955–1960, Opladen 1960.

Der vorstehende Beitrag entstand im Oktober 2000 während eines vierwöchigen Praktikums der Studentin und freien Journalisten Nele Cent im Stadtarchiv Monheim am Rhein unter Mitarbeit und mit späteren Änderungen und Ergänzungen von Michael Hohmeier. Bei Zitaten und Titeln wurde stillschweigend die neue Rechtschreibung angewendet.
Letzte Änderung: 29. September 2021

Fünfzig Jahre Stadtrechte

Mit einer Feierstunde im Ratssaal und einem Bürgerfest auf dem Alten Markt wurde am 16. Oktober 2010 an den fünfzigsten Jahrestag der Verleihung der Stadtrechte erinnert.

In der sehr gut besuchten Feierstunde sprachen Regierungspräsidentin Anne Lütkes, Landrat Thomas Hendele und Bürgermeister Daniel Zimmermann. Ihre Reden können hier abgerufen werden:

[PDF]Ansprache von Regierungspräsidentin Anne Lütkes

[PDF]Ansprache von Landrat Thomas Hendele

[PDF]Ansprache von Bürgermeister Daniel Zimmermann

Stadtrechte im Kreis Mettmann

Die zehn Städte im Kreis Mettmann und jeweils das Jahr, in dem sie Stadtrechte erhielten:

Ratingen 1276, Mettmann 1856, Wülfrath 1856, Velbert 1860, Hilden 1861, Haan 1921, Heiligenhaus 1947, Langenfeld 1948, Monheim am Rhein 1960, Erkrath 1966

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