Monheim-Lexikon: Blee

Das alte Blee versank in den Fluten des Rheins

Was und wo ist Blee? Das ist ein alter Ortsteil ganz im Süden, zwischen Alfred-Nobel-Straße, Heilerberg und Rheinuferstraße, hart an der Stadtgrenze zu Leverkusen-Hitdorf. Wer dort wohnt, wohnt in Blee, nicht „in der Blee“ (leider ist immer wieder diese Formulierung zu hören und zu lesen).

Und wer etwa am südlichen Heerweg, am Brückenschleeweg oder an der Robert-Koch-Straße zuhause ist, der lebt nicht in Blee, sondern in Zaunswinkel. Wobei es den Zaunswinklern unbenommen sei, sich als Bleer zu fühlen.

Nach Blee führt die Bleer Straße. Auch dieser Name macht vielen Schwierigkeiten. Oft liest man „Bleerstraße“ (leider auch auf amtlichen Straßenschildern), was dann meist so ausgesprochen wird, als sei hier der frühere englische Premierminister Tony Blair verewigt.

Jedoch, nicht Tony Blair ist hier der Namenspatron, sondern der gute alte Ortsteil Blee. In einzelnen Wörtern werden Straßennamen immer dann geschrieben, wenn auf „-er“ abgeleitete geographische Bezeichnungen darinstecken. Ursprünglich führte die Bleer Straße, von der heutigen Franz-Boehm-Straße aus, direkt an den Wohnhäusern vorbei (heute noch gut zu erkennen). Ältere Namen für die Bleer Straße sind Klotzstraße für den nördlichen Teil und Bleer Kirchweg für den südlichen.

„Kirchweg“ wurden jene Wege genannt, die von auswärts gelegenen Höfen oder Siedlungen zur Kirche und bis ins 19. Jahrhundert auch zum Kirchhof führten – für die Verstorbenen war der Kirchweg also der letzte Weg. Außer dem Bleer gab es den Knipprather Kirchweg (heute Knipprather Straße) und den Schleider Kirchweg (größtenteils bei Auskiesungen untergegangen, Rest heute Haydnstraße). Die „Kirchweg“-Bezeichnungen wurden 1937 aufgehoben.

Oberhof im 10. Jahrhundert

1955 wurde die weiter westlich liegende breitere Trasse für den Durchgangsverkehr gebaut und 1967 wurde die Bleer Straße zwischen Zaunswinkelstraße und Brückenschleeweg nach Westen verlegt. Auch dort ist der alte Verlauf noch als Parallel-Fahrbahn erhalten.

Aus Blee hätte vielleicht mehr werden können als der südliche Zipfel des heutigen Stadtgebiets. Nach Angaben von Fritz Hinrichs („Altenberger Höfe zwischen Wupper und Dhünn“, 1955 herausgegeben vom Rhein-Wupper-Kreis), besaß die Abtei Werden „schon im 10. Jahrhundert einen Hof in Blee, der als Oberhof andere Höfe Monheims, Rheindorfs und Richraths in einer Hofgemeinschaft vereinigte.“

Im 12. und 13. Jahrhundert erwarb die Abtei Altenberg Ländereien in Blee. Freunde und Förderer der Altenberger Zisterzienser-Mönche waren der Ritter Sibodo von Blee (Sibodonius de Bleche) und seine Gattin Petronilla.

1246 wird eine Filialkapelle der Kirche St. Gereon genannt, ab 1399 wird in Blee eine Rheinfähre betrieben. Der Rhein war es jedoch auch, der Blee stets bedrohte. Zwar wurden die Ufer mit Holzpfählen befestigt, doch bei Hochwasser wurde Blee überschwemmt. Eine besonders starke Flut riss schließlich den größten Teil der Ansiedlung samt Kapelle mit sich, wohl spätestens in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Sprit-Schieber bauten Turm

Die 1908 gegründete „Rheinische Presshefe- und Spritwerke AG“, die heutige [extern]Hefefabrik Uniferm, baute in den Zwanzigerjahren ein großzügiges Direktoren- und Gästehaus. Im August 2003 wurde es abgerissen und machte Platz für den Betriebskindergarten der Schwarz Pharma AG. Der zu dem Anwesen gehörende markante Turm, Rheinuferstraße 19, blieb erhalten und steht unter Denkmalschutz. Der Volksmund legte ihm den Namen „Mäuseturm“ bei, wohl aufgrund einer vagen Ähnlichkeit mit dem Bingener Mäuseturm. Den Turmbau entwarf der Monheimer Architekt Ferdinand Crone (1889–1963). Von ihm stammen auch das [intern]Rathaus an der Alten Schulstraße und die Lottenschule.

Zweifelhaften Ruhm errangen die Bauherren und zeitweiligen Besitzer des herrschaftlichen Anwesens, die fünf Brüder Heinrich, Peter, Josef, Wilhelm und Carl Schwartz (nicht zu verwechseln mit der Familie Schwarz von Schwarz Pharma). Die Inhaber der Monheimer Hefefabrik und weiterer Unternehmen machten als Sprit-Schieber Furore. „Die Firma Heinr[ich] Schwartz in Cöln kauft einen Teil des hochwasserfrei gelegenen Mülleneisen’schen Geländes in Blee an und erbaut zunächst eine Spritfabrik in größerem Stile“, vermerkt mit Datum vom 6. August 1909 der Verwaltungsbericht „Die Bürgermeisterei Monheim vom 1. April 1897 bis Ende 1909“. Heinrich Schwartz gehörte von September 1909 bis November 1913 dem Monheimer Gemeinderat an, nahm an den Sitzungen aber nur ausnahmsweise teil.

Die geschäftstüchtigen Schwartzens handelten im großen Stil mit Industriealkohol, wie er auch bei der Herstellung von Hefe anfällt. „Schon seit 1910 standen sie in schlechtestem kaufmännischen Rufe“, schrieben Hermann Schmid und Walter Bacmeister in ihrem Buch „Alkohol-König und Prälat oder: Spritschiebungen, Fluchtkapital und Zentrum“, 1932 erschienen in Berlin.

Wiederholt fielen die Schwartz-Brüder auf, weil sie minderwertige Ware als hochwertige verkauften oder in Konflikte mit den Zollbehörden gerieten. Sie hatten beste Kontakte zu hochrangigen Politikern der Weimarer Republik, insbesondere zu Vertretern der katholischen Zentrumspartei, die in der Villa am Rheinufer aus- und eingegangen sein sollen. Doch der Krug geht solange zum Brunnen, bis er bricht – für mehrere der Schwartz-Brüder endete der vom Sprit befeuerte Höhenflug im Gefängnis.

Mit ihrem für Monheimer Verhältnisse prachtvollen Anwesen zeigten die Schwartzens, dass sie die Mark auch in der Wirtschaftskrise nicht zweimal umdrehen mussten. Die Brüder schmückten die von hohen Mauern und Torbögen gesäumten Gebäude mit Plastiken und einem Park, in dem ein großes Wasserbassin lag. Durch den Park führte ein Weg zum Werksgelände.

Das „Kinderhaus Schwarz Pharma“ wurde im Mai 2004 eingeweiht. Wie das Unternehmen zur Eröffnung mitteilte, handelt es sich um den einzigen Betriebskindergarten im Kreis Mettmann. In dem 1,1 Millionen Euro teuren und 600 Quadratmeter großen Neubau ist Platz für 45 Kinder im Alter von vier Monaten bis zur Einschulung.

Das moderne Blee: Ein wichtiger Wirtschaftsstandort

Für die Wirtschaft unserer Tage hat Blee freilich immer noch Bedeutung – der Name „Industriestraße“ (seit 1937, zuvor Thelenstraße) zeigt es schon an. Dort ist die [extern]Seyfert Wellpappe GmbH erfolgreich tätig. Im Jahr 2005 siedelte sie nebenan im Rottfeld das Tochterunternehmen Seyfert Service GmbH an, spezialisiert auf Verkaufsdisplays für den Einzelhandel.

Ein weiterer großer Betrieb an der Industriestraße war bis zu seiner Schließung 1981 die Vereinigte Verpackungsgesellschaft (VVG) mbH, gegründet 1925 als Rheinische Pappenfabrik AG, 1961 umfirmiert in Papier und Pappe GmbH, seit 1970 VVG; ein Tochterunternehmen des Henkel-Konzerns.

An der Alfred-Nobel-Straße eröffnete der Bayer-Konzern 1981 sein weltweites Pflanzenschutzzentrum. Seit 2002 lautet die Firmierung [extern]Bayer CropScience AG.

Die [extern]Schwarz Pharma AG, die ihre Monheimer Wurzeln an der Mittelstraße hat, kaufte 1979 Gelände an der Alfred-Nobel-Straße und ging am neuen Standort auf Expansionskurs. Im September 2006 wurde die Fusion mit dem belgischen Unternehmen UCB Pharma bekanntgegeben.

Für eine weitere Facette des Bleer Wirtschaftslebens steht das Restaurant und Hotel [intern]„Haus Rheinblick“.

Letzte Änderung: 6. August 2024

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