2023 hat Angela de Weijer erstmals ihre Kompositionen für 12 Sirenen der Stadt Monheim am Rhein zum Klingen gebracht. Ein Klangkunstwerk, das die Kunst im öffentlichen Raum Monheims um eine ganz besondere Position ergänzt: nur selten zu hören, erreicht es zum Zeitpunkt der Aufführung fast alle Menschen in der Stadt zugleich. Die zeitgenössische Musik aus atmosphärischen Klängen legt sich wie ein Klangteppich über die ganze Stadt und regt zum Gespräch an.
Während des Klangkunstfestivals „The Sound – Sonic Art in Public Spaces“ der Monheim Triennale im Sommer 2023 kam die Warnanlage der Monheimer Feuerwehr mehrmals zu einem ungewohnten Einsatz. Über die Sirenen der Stadt erklangen jeweils für eine Dauer von etwa fünf Minuten atmosphärische, sich langsam entwickelnde Akkorde. Von unterschiedlichen Orten ausgehend waren sie im gesamten Stadtgebiet zu hören. Die eigens für Monheim am Rhein geschaffenen insgesamt vier Kompositionen der niederländischen Soundkünstlerin Angela de Weijer wurden nach dem Festival von der Stadt angekauft und sind nun Teil der städtischen Kunstsammlung.
Im Gegensatz zu den skulpturalen Arbeiten im Stadtraum ist die Arbeit mit dem Titel „Collective Signal“ ein immaterielles, nur zu bestimmten Zeitpunkten erlebbares Klangkunstwerk. Mit der Nutzung des städtischen Warnsystems greift die Künstlerin auf eine vorhandene, technische Infrastruktur zurück, die permanent installiert ist. Dabei deutet sie das Warninstrument der Sirene um und lässt statt der prägnanten, eher als unangenehm empfundenen Signaltöne eine Komposition erklingen. Sie nutzt Rhythmus und Harmonie und verdichtet die Töne zu Akkorden und melodischen Klangfolgen. Die ungewohnten, allerorts hörbaren Klänge durchdringen den Alltag: Die Menschen halten auf der Straße inne und tauschen sich aus.
Normalerweise informieren Sirenen als technisches Kommunikationsinstrument die Öffentlichkeit über wichtige Ereignisse. Seit dem Ersten Weltkrieg haben sie die Kirchenglocken als akustisches Warnsystem abgelöst und auch heute noch können sie mit ihrer prägnanten Signalwirkung im Katastrophenfall Leben retten. De Weijer löst die Sirene einerseits von ihrer Funktion, andererseits ruft sie diesen Kontext automatisch ins Gedächtnis. Durch das gemeinsame Erleben, das bei allen Hörenden unterschiedliche Emotionen, Erinnerungen uns Assoziationen auslöst, hat ihre Arbeit eine starke verbindende Qualität. Sie funktioniert als kollektives Signal, jedoch gerade ohne eine bestimmte Signalwirkung.
Kunst im öffentlichen Raum möchte ein Publikum jenseits der Museen und Galerien erreichen. Sie möchte die Menschen im Alltag auf alltäglichen Wegen begleiten, überraschen, erfreuen, manchmal auch irritieren, zum Nachdenken oder zum Austausch miteinander anregen. Mit ihrer in der ganzen Stadt hörbaren Klangkunst, die es so nur in Monheim am Rhein gibt, gelingt Angela de Weijer das in außergewöhnlicher Weise.
Ursprünglich war die Arbeit in einem anderen Kontext geplant: In den Niederlanden, dem Heimatland der Künstlerin, sollten die Sirenen als öffentliches Warnsystem abgeschafft werden. De Weijer komponierte für diesen Anlass eine Art musikalischen Abgesang, der zeitgleich über alle Sirenenanlagen des Landes aufgeführt werden sollte. Aufgrund jüngerer historischer Ereignisse wie der Corona-Pandemie, dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine und auch den Flutkatastrophen im benachbarten Deutschland entschied sich die niederländische Regierung gegen die für 2020 geplante Abschaltung der Sirenen. Das größte öffentliche Konzert der Niederlande fand daher nicht statt und die Pläne der Künstlerin verschwanden in der Schublade – bis die Einladung aus Monheim am Rhein kam. Hier bot sich die Chance, die Arbeit wiederaufzugreifen und sie mit Hilfe der städtischen Feuerwehr tatsächlich umzusetzen, jedoch nicht als einmaligen Abgesang, sondern wiederkehrendes musikalisches Erlebnis und Hommage an die Sirenen und ihre so wichtige Funktion.
Angela de Weijer: „Als Soundkünstlerin, aber auch als Komponistin, bin ich immer daran interessiert, eine neue Perspektive auf Hören an sich zu schaffen. Ich möchte einen kurzen Moment der Verwunderung erzeugen. Vielleicht trifft er die Leute ganz beiläufig, bringt sie aber dazu, innehalten und sich fragen, ‘was ist das, höre ich das richtig?’“
geb. in Eindhoven, Niederlande
2011 Bachelor an der Fontys Hochschule, Tilburg
2014 Master an der Royal Academy of Arts, Den Haag
2021 Ernennung zur Stadtkomponistin von Meierijstad, Niederlande