Alte Mauern und Treppenaufgänge zwischen Rheinstadion und Park an der Kapellenstraße lassen ein Kapitel Monheimer Kulturgeschichte bis heute sichtbar werden. Bis über tausend Besucher verfolgten von 1951 bis 1962 auf der Freilichtbühne Klassiker-Aufführungen, Millowitsch-Schwänke und Operetten. Im Laufe der Wirtschaftswunder-Jahre nahmen jedoch immer weniger Zuschauer auf den harten Holzbänken unter freiem Himmel Platz. Wetterunbilden und das heraufziehende Fernsehen ließen die Freilichtbühne in der Publikumsgunst sinken. Anfang der 1970er-Jahre wurde sie in eine Grünanlage mit Spielgeräten für Kinder umgestaltet.
Das Vorspiel zur Freilichtbühne fand im Dritten Reich statt. In der Sitzung der Gemeinderäte vom 10. Oktober 1938 erläuterte der von der NSDAP eingesetzte Bürgermeister Josef Grütering (1897–1970) die Planung für das Areal an der Kapellenstraße: „Der dritte Teil der Anlagen soll eine schlichte Bruchsteinpflasterung erhalten, die von [noch vorhandenen] riesigen Trauerweiden eingefaßt wird. Es soll hier das Gedenkfeld für die Opfer des Krieges, der Bewegung und der Arbeit entstehen, wo in Zukunft würdige Gedenkfeiern abgehalten werden können. Zu diesem Zwecke werden auf diesem Teil des Geländes noch drei große Altarblöcke aufgestellt, die mit Opferschalen versehen werden.“ An den „Altarblöcken“ samt „Aufmarschgelände zu Parteizwecken“ fanden bis 1945 die Weihestunden des NS-Regimes statt.
Sechs Jahre später beschäftigte sich der nunmehr wieder demokratisch gewählte Monheimer Gemeinderat mit der ehemaligen NS-Kultstätte. Er fasste am 12. Juli 1951 einstimmig folgenden Beschluss: „Die mittlere Pylone im Park am Rhein ist zwecks Einrichtung einer Freilichtbühne zu entfernen.“ Dies geschah rasch. Bereits am 19. August 1951 war Premiere. Die „Bühnenspiele Leverkusen“ gastierten mit dem „Jedermann“ von Hugo von Hofmannsthal.
Die Laienspielgruppe hatte offenbar ein volles Haus, denn die Uraufführung schloss nicht, anders als so viele spätere Veranstaltungen, mit einem Defizit ab. Den Ausgaben von 2239 Mark standen 2380 Mark an Einnahmen gegenüber. Gemeinde, Kreis und Industrie hatten Zuschüsse gewährt, der Heimatbund ideelle und organisatorische Hilfe.
Am Aufwand war nicht gespart worden. Die Abrechnung weist unter anderem 120 Mark für ein achtköpfiges Orchester aus. Doch mit dem Ergebnis waren die Mitglieder des Kulturausschusses, die einen Tag nach dem „Jedermann“ zusammenkamen, unzufrieden. Sie stimmten Amtsdirektor Hugo Goebel (1914–1978) zu, der zwar den „sehr guten Publikumserfolg“ lobte, die Leistungen der Schauspieler aber bemängelte, „vor allem auf mimischem und sprachlichem Gebiet.“ Der Kulturausschuss beschloss daraufhin, „in Zukunft kein Risiko mehr eingehen zu wollen. Es sind nur noch Künstler von wirklichen Qualitäten zu verpflichten“.
Gefunden wurden die Wunschpartner in Remscheid. Die 1950 gegründete „Remscheider Bühne“ mit ihrem Intendanten Wilhelm Michael Mund (1909–1980) war ab 1952 ständiger Gast in Monheim. Mit wenigen Ausnahmen bestritt sie fortan das sommerliche Programm, das meist aus drei Stücken bestand; hinzu kamen Saal-Veranstaltungen im Winter.
Zwischen dem umtriebigen Theatermacher Mund und Verwaltungschef Goebel entwickelte sich zu beiderseitigem Nutzen ein vertrauensvolles Verhältnis. Die Monheimer Aufführungen machten die junge Theatertruppe überregional bekannt. Ende 1958 berichtete Mund in einem Brief an Goebel über seine für 1959 geplanten Freilicht-Engagements in Feuchtwangen, Siegen, Helmstedt und anderen Orten: „An dieser positiven Entwicklung hat auch Monheim einen guten Anteil. Sie haben in all den Jahren treu zu uns gehalten und auch in Schwierigkeiten [die „Remscheider Bühne“ steckte oft in Finanznöten] unsere Sache zu der Ihrigen gemacht.“
Noch Jahre nach der Stilllegung versuchte Mund, die Monheimer für die Wiederaufnahme des Spielbetriebs zu gewinnen. Im April 1968 meinte Mund in einem Brief, es sei „doch ein Jammer, daß die wunderschöne Freilichtbühne völlig ungenutzt daliegt.“ In der Tat gammelte die Arena vor sich hin. 1970 tauchte die Idee auf, daraus einen Minigolfplatz zu machen. Dazu kam es ebenso wenig wie zu weiteren Theatergastspielen. Ein Teil der Bühnenaufbauten wurde schließlich abgerissen, der Zuschauerraum bepflanzt. Im Mai 1973 erhielt der Kulturausschuss die Mitteilung, die Arbeiten seien abgeschlossen.
Von derartigen Überlegungen noch weit entfernt war man bei der ersten Sommersaison mit dem Remscheider Ensemble. Es brachte Inszenierungen von Shakespeares „Was Ihr wollt“, Kleists „Prinz Friedrich von Homburg“ und Goethes „Egmont“.
Um Werbung für die Bühnenereignisse bemühte sich auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Zur Kleist-Aufführung am 13. Juli 1952 veröffentlichte die Nebenstelle Monheim des DGB-Kreisausschusses Rhein-Wupper auf Handzetteln den fiktiven Dialog der Arbeiter „Fritz“ und „Karl“.
Auf Fritzens Frage „Na, Karl, gehst Du auch in das Schauspiel ‚Prinz Friedrich von Homburg‘?“ antwortet Karl: „Nein, ich glaube nicht, daß das etwa für uns Arbeiter ist. Da ist es wohl besser, wenn ich ins Kino gehe.“ Fritz hält dagegen: „Meinst Du vielleicht, wir als Arbeiter brauchten uns nicht um kulturelle Dinge zu kümmern? Du hast doch auch sicher schon von den Ruhrfestspielen in Recklinghausen gehört. Träger dieser Festspiele ist der DGB und die Veranstaltungen werden auch fast nur von Arbeitern besucht.“
Am „Sonntag, 20 Uhr“ sah man sich wieder. Die Aufführung wurde mit rund 1200 Besuchern, die je eine Mark Eintritt bezahlt hatten, ein Erfolg. An spektakulären Effekten mangelte es der Inszenierung nicht, unter anderem kostümierte sich eine Gruppe des Reit- und Fahrvereins als Kavallerie.
Das Echo in der Presse war geteilt. Während die Düsseldorfer Nachrichten dem Intendanten und Regisseur Mund eine „sichere Hand“ bescheinigten, registrierte die Rheinische Post ein „dramatisches Defizit“, das „einen abschließenden Platzregen“ verdient gehabt hätte. Versöhnlich schloss die Kritik: „Stattdessen strahlten die Sterne, und freundlicher Beifall lohnte die Darsteller.“
Nicht immer hatte man Glück beim „Lotteriespiel Wetter“, wie es 1959 der damalige Kulturamtsleiter Heinrich Kirberg (1914–1996) nannte. Regnete es vor Beginn der Vorstellung, wurde sie abgesagt oder in einen Gaststättensaal oder die damals einzige Turnhalle an der Lottenstraße verlegt. Begann es während des laufenden Stücks zu regnen, wurden Darsteller und Besucher auf eine harte Probe gestellt.
So erwischte es am 18. August 1957 den „Tartüff“ von Moliere. „Gegen 22 Uhr öffnete der Himmel seine Schleusen. Die Zuschauer hielten nur zum Teil stand, aber die Schauspieler spielten eisern weiter, wenn ihnen auch die Schminke in Bächen in die Gewänder gespült wurde“, berichtete die Rheinische Post.
Aber auch an trockenen Sommerabenden hatte die Freilichtbühne ihre Tücken, sprich: Mücken. In großen Schwärmen schwirrten die Plagegeister herbei und piesackten das Publikum. Die Abrechnung zur Operette „Schwarzmaldmädel“ im Juli 1955 enthielt denn auch einen Posten von 9,90 Mark für „Mückenvertilgungsmittel“.
Die drei ersten Sommer auf der Freilichtbühne boten ausschließlich klassische Komödien und Tragödien. Durchaus nicht ohne Erfolg, was wohl auch an der intensiven Werbung lag. In Düsseldorfer Kinos lief Reklame für die Freilichtbühne, per Post wurden Einladungen an alle Haushalte in Monheim, Baumberg und Hitdorf verteilt. Im Rosenmontagszug 1953 rollte sogar ein Wagen für die Freilichtbühne mit, die in jenem Jahr für 32.400 Mark nochmals ausgebaut wurde. Die Bilanz des Kulturausschusses fiel am 29. Januar 1954 dennoch nicht überschwenglich aus: „Der Besuch ließ trotz der guten Aufführungen wie ‚Ein Sommernachtstraum‘ und ‚Die Braut von Messina‘ doch noch sehr zu wünschen übrig.“
Für die nächste Saison wurde auf ein neues Zugpferd gesetzt, den Kölner Volksschauspieler Willy Millowitsch (1909–1999). Der Titel des vom Millowitsch-Theater dargebotenen Schwanks, „Zwangseinquartierung“, erwies sich als prophetisch. Die kölschen Komödianten mussten in den Saal Schmickler, nachmals Festhalle Bormacher, ausweichen, weil das Wetter wieder einmal nicht mitspielte. Dennoch wurden die Abende mit Millowitsch ein fester Bestandteil des Monheimer Spielplans.
„Millowitschs waren am zugkräftigsten", resümierte 1959 die Rheinische Post. Weiter berichtete sie: „Der Andrang zum ‚Meisterboxer‘ war so groß, daß man schon überlegte, die Freilichtbühne polizeilich zu sperren. Neben den 1100 Sitzplätzen wurde für rund 200 weitere Besucher Platz geschaffen.“ Die Stadtkasse verbuchte einen Überschuss von 570 Mark.
Überschüsse blieben jedoch die Ausnahme. Knapp drei Wochen nach dem Millowitsch-Coup stand am 1. August 1959 wieder ein Lustspiel auf dem Theaterzettel, „Aimée“ von Heinz Coubier (1905–1993), von der „Remscheider Bühne“ als Uraufführung für Monheim einstudiert. Sie wurde ein Flop. Nur 45 Karten für 1,50 Mark und neun für eine Mark fanden Abnehmer. Aus dem Gemeindehaushalt mussten fast 1600 Mark zugeschossen werden. Solche Desaster verfehlten auf die Dauer nicht ihre Wirkung auf die Kommunalpolitiker.
Goethes „Hermann und Dorothea“ waren am 12. August 1962 – nach fast genau elf Jahren – das letzte Freiluft-Schauspiel. Im eigens modernisierten Saal Schmickler ging es dann noch für ein Jahr regengeschützt weiter. Dann fiel endgültig der letzte Vorhang. Das Publikumsinteresse war so gering geworden, dass der Kulturausschuss am 2. Mai 1963 auf Vorschlag von Stadtdirektor Goebel beschloss, auf das Theaterangebot ganz zu verzichten. Nur das obligatorische Weihnachtsmärchen für Kinder blieb erhalten. Erst 1972 wurde in der neuen Aula am Berliner Ring mit einem Abonnementsprogramm der Faden wieder aufgenommen. An die Freilichtbühne dachte man, so schon 1967 Stadtdirektor Goebel, nur noch als eine, wenn auch liebenswerte, „Jugendsünde“.
Als im Rahmen der Euroga 2002 plus der Marienburgpark eröffnet wurde, rückte die alte Freilichtbühne doch noch einmal ins Blickfeld. Aus vierzigjährigem Dornröschenschlaf erwachte sie mit zwei ausverkauften Open-Air-Aufführungen von Bertolt Brechts „Dreigroschenoper“. Die Wiederherrichtung der Anlage hatte ein Gartenbaubetrieb gesponsert.
Für junges Leben auf der Freilichtbühne sorgte zudem von 2004 bis 2013 der jährliche Monheimer Kinder-Tag, organisiert vom städtischen Jugendamt und zahlreichen anderen Mitwirkenden. Auf der Bühne lief jeweils ein großes Musikprogramm, gestaltet von einheimischen Kinder- und Jugendgruppen, aber auch von prominenten Gästen. Seit 2014 findet der Kinder-Tag im Berliner Viertel statt.
Im Sommer 2004 gab es auch erstmals Lichtspiele auf der Freilichtbühne. Das von Marke Monheim präsentierte „Mondscheinkino“ stieß auf große Resonanz und wird seither jährlich wiederholt, lediglich 2007 fielen die Vorführungen aus. Seit 2018 wird das „Mondscheinkino“ von den Monheimer Kulturwerken veranstaltet.
Zuletzt geändert am 27. November 2020
Quellen
Stadtarchiv Monheim am Rhein:
Akten 593, 1666, 1719–1722, 1807, 2789, 2790; Zeitungsausschnitt-Sammlung 112-60, 230-00, 230-05, 230-15.
Überarbeitete Fassung eines Beitrags in Journal 16, Jahrbuch des Kreises Mettmann 1996/1997.