Zwei Männer haben als langjährige Chefs der Monheimer Verwaltung lokale Geschichte gemacht. Der eine war Philipp Krischer, Bürgermeister von 1897 bis 1925; der andere Hugo Goebel, von 1945 bis 1970 nacheinander Beigeordneter, Bürgermeister, Amts- und Stadtdirektor.
In Krischers Amtszeit schaffte Monheim den Anschluss an die Moderne. Die Ära Goebel war geprägt von Wiederaufbau und Stadtwerdung. Krischers Name ist durch eine Straßenbenennung bis heute lebendig, Hugo Goebel jedoch ist weitgehend vergessen.
Hugo Goebel war gebürtiger Monheimer. Im Haus seiner Eltern kam er am 16. Februar 1914 zur Welt. Sein Vater Oskar Goebel war Fabrikarbeiter, seine Mutter Emma Goebel, geborene Herz, war Hausfrau. Dass die 1922 im Alter von 41 Jahren gestorbene Emma Goebel jüdischer Abstammung war, hat die Geschicke des Sohns maßgeblich mitbestimmt. Ein Lebenslauf, den Hugo Goebel 1949 für die britische Militärregierung verfasste, lässt das erkennen:
„Durch den Verlust meiner Mutter im Knabenalter, sowie die Krankheit meines Vaters wurde ich schon frühzeitig gezwungen, mir meinen Lebensunterhalt selbst zu verdienen. Alle Freizeit, die ich erobern konnte, benutzte ich zur Selbstbildung. Durch mannigfaltige Kurse (u. a. in Staats- und Volkswirtschaftslehre) bereitete ich mich auf einen geistigen Beruf vor. Leider konnte ich infolge der 1933 erlassenen Ariergesetze des 3. Reiches (meine Mutter war Jüdin) mich nicht meinen Neigungen entsprechend betätigen. Ich wurde gezwungen, einen Posten als Vorarbeiter bei einer Großfirma anzunehmen.“
Bei der Großfirma handelte es sich um die Rheinische Pappenfabrik AG in Blee. Von April 1934 bis März 1945 war Goebel dort tätig. Nachdem am 16. April 1945 amerikanische Truppen einmarschiert und der Zweite Weltkrieg damit für Monheim beendet war, wurde von der Militärverwaltung zunächst der kommissarische Bürgermeister Franz Bambeck, kaufmännischer Leiter der Mineralölwerke Rhenania-Ossag, im Amt bestätigt. Im Mai wurde Bambeck abgesetzt und festgenommen, nach sechswöchiger Internierung aber als unschuldig entlassen.
Die Lücke an der Verwaltungsspitze schlossen Hugo Goebel und Heinrich Süß, die am 24. Mai 1945 zu Beigeordneten ernannt wurden. Das war der Beginn von Hugo Goebels 25-jähriger Chef-Laufbahn. Am 25. Juli 1945 tagte erstmals nach dem Ende des Dritten Reichs wieder der Monheimer Gemeinderat. Beigeordneter Süß führte den von der britischen Militärregierung inzwischen zum Bürgermeister ernannten 31-jährigen Hugo Goebel in sein Amt ein.
Das Protokoll der Sitzung gibt einen Einblick in den Alltag jener Zeit. So wurde verfügt, alle Männer von 16 bis 60 Jahren samstags zur Beseitigung von Kriegsschäden heranzuziehen. In die Pflicht genommen wurden auch die Monheimer Betriebe. Sie sollten auf Zuschüsse für den Siedlungsbau verzichten und für die Reparatur des Rheindeichs spenden.
Dem Hausmeister und Pförtner erlaubte der Rat, „im Hof des Rathauses einen kleinen Hühnerstall zu errichten.“ Weiter beschloss das Gremium, für die Müllabfuhr ein Pferd bereitzustellen, notfalls auch zu „requirieren“. Die monatliche Abfallgebühr wurde auf „50 bis 60 Pfennig pro Familie“ festgelegt. Symbolkraft hatte die Entscheidung, „die Bronzefigur aus dem Volkspark der kath. Kirchengemeinde unentgeldlich zur Verfügung zu stellen, damit aus dem Material wieder eine Glocke hergestellt werden könne.“ Gemeint war die Darstellung eines trommelnden Hitlerjungen, die in der Nazi-Zeit in den Anlagen an der Kapellenstraße aufgestellt worden war.
Den Titel Bürgermeister führte Hugo Goebel ein knappes Jahr. Mit Urkunde vom 26. Juli 1946 wurde er auf sechs Jahre zum Amtsdirektor ernannt (zum Amt Monheim gehörten Monheim, Baumberg und Hitdorf). Als ebenso tatkräftiger wie umsichtiger Verwaltungsleiter erwarb sich Goebel rasch Anerkennung und Vertrauen. Der Rat verlängerte seine Amtszeit daher schon 1948 um weitere sechs Jahre bis 1958.
Goebel krempelte die Ärmel hoch, trieb den Wiederaufbau voran und arbeitete zielstrebig auf die Stadtwerdung Monheims im Jahre 1960 hin. Wie sehr sich der Verwaltungschef ins Zeug legte, zeigt der einstimmige Beschluss des Hauptausschusses vom 24. Februar 1956: „Der Amtsdirektor nimmt sich aus an sich lobenswerten Gründen nicht die Zeit, seine Krankheit in Ruhe auszuheilen. Es ist auf ihn einzuwirken, dass er durch Konsultierung von ärztlichen Kapazitäten und durch Antreten einer Kur alles tut, damit seine Gesundheit baldigst wieder hergestellt ist.“
Einen abermaligen Vertrauensvorschuss des Rates erhielt Hugo Goebel am 14. September 1954. „Das Amt Monheim nimmt einen außerordentlich großen Aufschwung. Diese Entwicklung darf nicht aufgehalten werden. Der Amtsdirektor wird daher schon jetzt auf weitere zwölf Jahre wiedergewählt. Die neue Amtszeit läuft vom 28. März 1958 bis 27. März 1970.“
In den Fünfziger- und frühen Sechzigerjahren ist das alte, dörflich geprägte Monheim zwar noch lebendig. Doch Hugo Goebel ist klar, dass scheinbare Idylle und überkommene Strukturen keine Zukunft haben. Er ist 1951 maßgeblich am Zusammenschluss der Gemeinden Monheim und Baumberg beteiligt, den Philipp Krischer dreißig Jahre zuvor noch vergeblich gefordert hatte. 1960 gab auch die alte bergische Hafenstadt Hitdorf ihre Selbstständigkeit auf. Die drei Rheingemeinden bildeten fortan die neue Stadt Monheim – mit Hugo Goebel als Stadtdirektor.
Untrennbar mit Hugo Goebel verbunden ist die Expansion der Stadt über ihre alten Siedlungskerne hinaus. Im Monheimer Süden und Baumberger Osten wurden riesige Baugebiete ausgewiesen, in denen ab Mitte der Sechzigerjahre viele tausend Wohnungen entstanden. Die Einwohnerzahl stieg von 1960 bis 1965 von 13.692 auf 21.698 und bis 1970 – als sich Goebel in den Ruhestand verabschiedete – auf 39.128.
Die städtische Infrastruktur musste mit dem enormen Bevölkerungszuwachs Schritt halten. Als Hugo Goebel am 31. März 1970 vom Rat verabschiedet wurde, zog Bürgermeister Heinrich Häck eine beeindruckende Bilanz. In Goebels Amtszeit wurden neun neue Schulen eingeweiht, Gymnasium und Festaula waren in Bau, für die Realschule lief die Planung. Die Bauarbeiten für das Hallenbad hatten begonnen. Als Vorsitzender des Sparkassenrats eröffnete Goebel fünf neue Filialen. Sprecher aller Fraktionen würdigten Goebels Verdienste und bedauerten sein Ausscheiden.
Einer weiteren zwölfjährigen Amtszeit des damals 54-jährigen Sozialdemokraten hätte also nichts im Wege gestanden. Doch Goebel verzichtete wegen seiner angegriffenen Gesundheit auf eine erneute Kandidatur. Mag sein, dass ihn auch die Vorboten der Kommunalen Neugliederung bewogen, sich aus dem aktiven Geschehen zurückzuziehen. Beim Abschied äußerte er die Hoffnung, dass Monheim „nie von irgendeiner anderen Stadt geschluckt werden möge“.
Als Ruheständler musste Goebel, der im Oktober 1971 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, dennoch die vorübergehende Eingemeindung Monheims und Baumbergs nach Düsseldorf und die dauerhafte Eingemeindung Hitdorfs nach Leverkusen erleben. Dass Monheim und Baumberg ab 1976 wieder selbstständig waren, erfüllte ihn mit Genugtuung.
Hugo Goebels Tod am 29. August 1978 kam früh. Mehrere hundert Menschen folgten seinem Sarg und gedachten des „Vaters des großen Monheims“, wie es in einem Presse-Nachruf hieß.
Letzte Änderung: 9. November 2020
Quellen
Stadtarchiv Monheim am Rhein: Personalakte Hugo Goebel, Akte 593, Zeitungsausschnitt-Sammlung.
Überarbeitete und ergänzte Fassung eines Beitrags in Journal 24, Jahrbuch des Kreises Mettmann 2004/2005.