Seit Juli 2022 ziert eine weithin leuchtende, rote Plastik den Kreisverkehr an der Monheimer Straße in Baumberg. Die Arbeit „im Duett” des Künstlers Timm Ulrichs (*1940 in Berlin) besteht aus zwei gekippten, ineinander verschachtelten Hausformen. Überlebensgroß und aus schwerem Stahl gefertigt, scheinen sie, der Schwerkraft enthoben, miteinander zu verschmelzen.
Die Häuser sind identisch und wirken in ihrer einfachen, typischen Gestaltung mit Satteldach, einer Türöffnung und je vier Fenstern wie überdimensionierte Modellhäuser. Das lebendige, kräftige Rot zitiert klassische Backsteinfassaden und bildet einen Kontrast zum grünen Rasen, der die Skulptur umgibt. Das Motiv des Hauses fügt sich in die Wohngebiete der Umgebung gut ein. Timm Ulrichs scheint die ortstypische Situation aufzugreifen und humorvoll zu verwandeln: Sind es normalerweise dieMenschen, die sich als Akteurinnen und Akteure in den starren Kulissen der Behausungen bewegen, wirken die Häuser hier belebt und gelöst von ihrer gewöhnlichen Funktion. Sie scheinen sich inmitten des Geschehens zu bewegen und miteinander zu interagieren. Im Umfahren im Kreisverkehr zeigen sie sich aus immer neuen Blickwinkeln.
Der Eindruck des „Verschmelzens” der beiden Häuser spiegelt den Humor Timm Ulrichs, der gern mit Doppeldeutigkeiten und Wortsinn spielt: Er überträgt hier den buchstäblichen Verkehr der Straße metaphorisch auf die beiden Häuser, die sich miteinander vereinen und so gleich in mehrfacher Hinsicht „im Verkehr” begriffen sind. So lässt sich die Arbeit auf eine hintersinnige Weise deuten, sie lässt es aber auch zu, sich einfach an der spielerischen Leichtigkeit zu erfreuen, die sie trotz ihrer Monumentalität ausstrahlt.
Timm Ulrichs hat Kunstwerke in zahlreichen Städten realisiert. Das Motiv des Modellhauses findet sich darunter in unterschiedlichen Konstellationen. Das Spiel mit alltäglichen Motiven in ungewohnten, oft humorvollen Perspektiven ist ein Charakteristikum des umfangreichen Gesamtwerks, das er seit den 60er-Jahren in verschiedensten Medien entwickelt. „Kunst ist Leben und Leben ist Kunst“, lautet das Motto des selbsternannten „Totalkünstlers“ . Sein künstlerisches Werk umfasst konzeptuelle Arbeiten, Skulpturen, Environments, Fotografien, Videokunst, Performances, Aktionen, Konkrete Poesie, Wandarbeiten und textbasierte Arbeiten.
geb. 1940 in Berlin, lebt in Hannover, Münster und Berlin
1954–59 in Wildeshausen und Bremen aufgewachsen, Abitur
1959–66 Architekturstudium an der technischen Hochschule Hannover, das er nach dem Vordiplom abbrach
seit 1959 Gründung der „Werbezentrale für Totalkunst“ in Hannover. Hier produziert und propagiert Ulrichs Totalkunst-Objekte, -Szenen, -Landschaften, -Expeditionen, Totalpoesie, Totalmusik, Totalfilm, Totaltheater. Sich selbst bezeichnet er als „Totalkünstler“ sowie als „das erste lebende Kunstwerk“.
1969–1970 Gastprofessur an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Braunschweig
1970 erste Totalkunst-Retrospektive in Krefeld
1972–2005 Professur an der Kunstakademie Münster
1977 Teilnahme an der Documenta 6 in Kassel
Preise und Ausstellungen
große Einzelschauen in Lüdenscheid (1980), Madrid (1991), Antwerpen (2001), Hannover (2002)
1985 Will-Grohmann-Preis, Akademie der Künste Berlin
2020 Käthe-Kollwitz-Preis, Akademie der Künste Berlin