Jean Müller war offenbar ein Mann mit vielen Talenten. Der Architekt, Holz- und Baustoffhändler, geboren 1872 in Monheim und hier 1965 auch gestorben, erbaute sich 1897/98 eine Gaststätte. Müller übernahm selbst die Leitung des Wirtshauses, dessen Adresse damals „An der Birkenhecke“ lautete. Dem gastlichen Ort am Knipprather Wald gab Müller den Namen „Waldschlösschen“.
Bürgermeister Philipp Krischer hatte Müllers Konzessionsgesuch im Oktober 1897 befürwortet, denn der Bedarf sei vorhanden. „Die Gemeinde Monheim hat augenblicklich bei einer Einwohnerzahl von 1760 Seelen sechs Gast- und fünf Schankwirthschaften, worunter jedoch auch die Bahnhofsrestauration in Langenfeld einbegriffen ist.“
Der Verwaltungschef merkte zudem an, „daß der Durchgang durch die Waldung doch nicht als ganz ungefährlich bezeichnet werden kann. In der verflossenen Woche ist dort an einem siebenzehnjährigen Mädchen […] in der Mittagsstunde ein Nothzuchtsversuch gemacht worden.“
In der abgelegenen Gegend war eine sichere Zuflucht somit willkommen. Und dass der Standort gut gewählt war, zeigte sich spätestens 1904, als die Gleislose Bahn den Betrieb aufnahm. Das technische Unikum verband den Langenfelder Bahnhof, der damals zum Monheimer Gemeindegebiet gehörte, mit der Frohnstraße. Am „Waldschlösschen“ wurde eine Haltestelle eingerichtet und das Lokal entwickelte sich zum Ausflugsziel.
Wirt Jean Müller wollte seinen Gästen etwas bieten. Im August 1913 erhielt er die Bauerlaubnis für einen Hochschießstand, auf dem mit großkalibrigen Waffen geschossen werden durfte. Zuvor hatte sich in Monheim ein „Bürgerschützenverein“ gegründet, der das „Waldschlösschen“ zu seinem Domizil erwählte.
Im „Verkehrsbuch und Wegweiser durch den Landkreis Solingen“ warb Müller denn auch 1929 für seinen „Schützenplatz“ und verkündete „jeden Sonntag Konzert und Tanz“. Doch der geschäftliche Erfolg hielt nicht für immer. 1932 musste Müller die Gaststätte räumen. Aus der „Birkenhecke“ war mittlerweile die „Langenfelder Straße, östlich“ geworden. 1937 wurde die bis heute geltende Bezeichnung „Opladener Straße“ eingeführt.
An der Opladener Straße 219 kehren freilich längst keine durstigen und hungrigen Gäste mehr ein. Die Wirtschaft wurde Ende Oktober 1987 geschlossen. Seither dient das Gebäude anderen Gewerbezwecken.
Zuletzt geändert am 25. Mai 2021
Quellen
Stadtarchiv Monheim am Rhein: Akte 605
Müller, Helmut: Die Müllers. Eine Baugeschichte 1870 Monheim 1950, Eigenverlag CAD-Performances, [2002].