In der „Lerche“ gibt es in diesen Tagen guten Grund zu feiern. Genau zehn Jahre ist es her, als in der städtischen Gemeinschaftsgrundschule am Lerchenweg die erste gebundene Ganztagsklasse installiert wurde.
Von Anfang an setzten die Schule und die AWO Niederrhein als Träger des Offenen Ganztags (Ogata) dabei auf das Konzept der sogenannten „echten Ganztagsklassen“, das in Studien und Fachkreisen inzwischen immer mehr als Idealmodell gelobt wird. Nach diesem Konzept bleiben alle Kinder täglich von 8 bis16 Uhr in der Schule. Bis auf den Mittwochnachmittag ist die Teilnahme bis 16 Uhr für alle Kinder ausnahmslos verbindlich. Hausaufgaben im klassischen Sinn kennen die Ganztagsschüler am Lerchenweg hingegen nicht mehr. Der gesamte Schultag ist ein perfekt aufeinander abgestimmter Wechsel aus gemeinsamen Lern- und Freizeiten, zu denen mit dem Frühstück und dem Mittagessen auch die gemeinsamen Mahlzeiten gehören.
Das Weniger an zeitlicher Flexibilität für Eltern und Kinder, was die die anderorts vieldiskutierten Abholzeiten betrifft, wird durch ein deutliches Mehr an verlässlicher Pädagogik und Chancengleichheit ausgeglichen. Es ist nicht mehr so, dass nachmittags das Team des Offenen Ganztags übernimmt, während das Lehrerkollegium geschlossen nach Hause geht, sondern es sind schon morgens Erzieherinnen und Erzieher mit in der Schule und im Unterricht dabei. Und am Nachmittag sind bis 16 Uhr auch immer noch Lehrer und Lehrerinnen als Ansprechpartner für Kinder und Eltern da.
Seit zehn Jahren mehr Anmeldungswünsche als freie Plätze
Das Konzept kommt bei den großen und kleinen Profiteuren offenbar gleichermaßen gut an. Zum neuen Schuljahr wird in der „Lerche“ erstmals in allen drei Klassenzügen ausschließlich für die echte Ganztagsklasse eingeschult. Trotzdem liegen Schulleiter Achim Nöhles schon jetzt mit 95 Anmeldungen mehr Wünsche vor, als er für den nächsten Sommer erfüllen können wird. Und diese Übernachfrage gibt es schon seit den Anfängen der Schule. „Es ist wichtig, dass es auch Alternativen zu unserem System in einer Stadt gibt, aber es ist ganz sicher mindestens ebenso wichtig, dass es auch genau unser Konzept gibt“, betont der Schulleiter. Und das Monheimer Lerche-Modell ist ein absolut Bemerkenswertes, vor allem mit Blick auf die konsequente Umsetzung, wie auch Sascha Trojahn als Leiter des hiesigen Offenen Ganztagsangebotes sowie sein AWO-Kollege und Jugendhilfereferent beim Bezirksverband Niederrhein, Dr. Michael Maas, betonen. Nöhles: „Von Anfang an war es hier unser Ziel, gemeinsam eine Schule aufzubauen, die möglichst jede Benachteiligung, die durch die unterschiedliche Unterstützungsmöglichkeiten in den einzelnen Elternhäusern, etwa durch Migrationshintergrund oder berufliche Einspannung, immer besteht, konsequent beseitigt. Von Anfang an stand bei uns die Schaffung größtmöglicher Bildungs- und Chancengleichheit im Focus.“ Die Arbeit daran ist ein großes Gemeinschaftsprojekt. Nur 20 Mitglieder des insgesamt 45-köpfigen Betreuer-Kollegiums sind im klassischen Sinne ausgebildete Grundschul-Lehrkräfte. Die anderen sind Sozial-, Sonder- und Heilpädagogen, FSJler, Erzieherinnen und Erzieher, oder sie haben noch eine andere berufliche Qualifikation.
Für die Arbeit in einer Ganztagsklasse ist somit immer ein Team verantwortlich, das mehrheitlich aus einer Klassenlehrerin und zwei Erzieherinnen besteht. Sie planen und verantworten gemeinsam den Tages- und Wochenablauf ihrer Klasse. AWO-Jugendhilfereferent Michael Maas: „Die Grundschule am Lerchenweg ist dabei ein gelungenes Beispiel für die vielbeschworene Zusammenarbeit auf Augenhöhe zwischen Jugendhilfe und Schule. Dieser Anspruch wird hier nicht nur einfach propagiert, sondern ist tatsächlich gelebte Wirklichkeit. Das habe ich in dieser Intensität bisher an keiner anderen Schule erlebt.“ Und wie Maas ist auch Schulleiter Achim Nöhles überzeugt: „Die klassische Lehrer-Schule hat ausgedient. Die multiprofessionelle Zusammenarbeit ist zwar manchmal herausfordernd, aber sie ist immer lohnend.“
Pädagogische Verstärkungen gesucht
Die intensive Teamarbeit ist es auch, die für ein hohes Maß an Arbeitnehmerzufriedenheit und wenig Mitarbeiterfluktuation sorgt. „Das ist schon ein sehr attraktiver Arbeitsplatz, den die meisten Beschäftigen nicht wieder hergeben möchten“, weiß Einrichtungsleiter Sascha Trojahn. Trotzdem werden auch jetzt durch den erneuten Ausbau wieder Verstärkungen gesucht. „Der Fachkräftemarkt ist zwar derzeit ganz schön leergefegt. Aber wir haben wirklich tolle Arbeitsbedingungen zu bieten“, betreibt Trojahn mit Blick auf gern gesehene Bewerbungen noch ein wenig Werbung in eigener Sache.
Als im Jahr 2006 die erste gebundene Ganztagsklasse am Lerchenweg installiert wurde, konnte niemand voraussehen, wie die Eltern dieses Ganztagskonzept wohl aufnehmen würden. Heute, zehn Jahre später, muss man für die Idee an sich keine Werbung mehr machen – sie hat sich durch gute Arbeit durchgesetzt und etabliert. (ts)