Stadt positioniert sich: Der Monheimer Rosenmontagszug wird ziehen

Der Karneval kann Zeichen für Frieden, Freiheit und Vielfalt sein – Bürgermeister Daniel Zimmermann kritisiert CDU-Forderungen nach einer Absage

Bester Nährstoff für den Karneval! Die von Professor Markus Lüpertz geschaffene Skulptur der „Leda“ wurde 2020 im Monheimer Karnevalszug reichlich auf die Schippe genommen. Die Monheimer Kulturwerke brachten mir ihrem von Künstler Jaques Tilly geschaffenen Karnevalswagen zum Ausdruck: Die Diskussionen über Kunst im öffentlichen Raum befruchten eben auch das Brauchtum. Foto: Michael Hotopp / Stadt Monheim am Rhein 

Erst die mit dem Frühling immerhin etwas abklingende Corona-Pandemie, dann auch noch der am Altweiber-Donnerstag begonnene Angriffskrieg des russischen Präsidenten auf die Ukraine – der Karneval 2022 steht unter einem schwierigen Stern. Kann unter diesen Umständen einen Rosenmontagszug ziehen? Diese Frage kam sofort am Donnerstagmorgen auf. Bürgermeister Daniel Zimmermann und die Große Monheimer Karnevalsgesellschaft (Gromoka) beantworten sie ebenso klar wie einig: „Ja, er kann ziehen. Er muss es vielleicht sogar – gerade jetzt! Weil er ein Zeichen für Frieden, Freiheit und Vielfalt ist und damit den Werten, die die russische Regierung gerade vor aller Welt mit Füßen tritt, entgegensteht.“

In Monheim am Rhein wurde die Diskussion um den Zug schnell auch zu einem lokalen Politikum. So forderte die örtliche CDU am Donnerstag früh „Karneval absagen in Monheim am Rhein“ und zielte damit nicht nur auf den Zug selbst, sondern gleich auf sämtliche durch die Gromoka organisierten Feierlichkeiten in den nächsten Tagen, auf die sich Altstadtwirte, Vereine, Künstler, Karnevalsgruppen und Gäste seit vielen Wochen unter ohnehin schon erschwerten Bedingungen nach zwei Pandemiejahren als kleines Lebenszeichen vorbereitet hatten. „Ein Stoß vor den Kopf“, befindet Monheims Bürgermeister und springt den Karnevalisten, die sich zum Weitermachen entschieden haben, deutlich bei. Es sei aus vielen Gründen richtig, am geplanten Karnevalsprogramm festzuhalten. Der Karneval sei wichtiges Kulturgut und habe schon immer auch eine politische Funktion gehabt. Gerade die sei nun gefragt. „Die Jecken prangern Missstände an. Sie machen sich über die Politik lustig, kritisieren die Kirchen, die Parteien und den Staat. Ich finde zum Beispiel, dass die Welt gerade jetzt die kritischen Wagen von Jacques Tilly im Düsseldorfer Rosenmontagszug mehr denn je gebraucht hätte“, so Zimmermann.

Eine Absage ist kein Statement

Eine Absage allein sei zudem erstmal überhaupt kein Statement, so Monheims Stadtoberhaupt. Eher dokumentiere man damit Betroffenheit oder ein Gefühl der Ohnmacht, weil man den Menschen in der Ukraine vermeintlich nicht helfen könne. „Dabei gibt es für die Monheimer CDU und alle Menschen in der Stadt – ob Karnevalisten oder nicht – genug Möglichkeiten, sich zu engagieren“, betont Zimmerman. „Ich denke da an die gesamte Aktionspalette der Friedensbewegung: Lichterketten, Friedensmärsche durch die Innenstadt, Briefe an den Kreml, humanitäre Hilfskonvois für die Ukraine und mehr.“ Auf diese Art und Weise könne man wirklich etwas bewirken. „Es wäre in jedem Fall mehr wert, als sich dafür auf die Schulter zu klopfen, dass man ganz bewusst und aus Mitgefühl einfach nichts tut.“

Ans Absagen habe man sich inzwischen zudem offenbar viel zu sehr gewöhnt, so Monheims Bürgermeister. Dabei hätten Kriege fast noch eine eher untergeordnete Rolle gespielt. Zuletzt wurde der Karneval für den Golfkrieg 1991 abgesagt. Während des Afghanistankriegs 2001/2002 fand er hingegen ebenso statt wie 2014, als Putin– ebenfalls zur Karnevalszeit – die Krim nach Russland einverleibte und bereits damit begann, Grenzen innerhalb Europas gewaltsam zu verschieben. Auch die letzten zehn Jahre Syrienkrieg hätten nicht zu einer Absage geführt so Monheims Bürgermeister. „Warum auch? – Dafür wurde in Düsseldorf 2016 der Rosenmontagszug wegen eines Sturms abgesagt, obwohl nicht mal eine amtliche Unwetterwarnung vorlag. 2019 und 2020 wurde schon wieder über Absagen wegen schlechten Wetters diskutiert. Ich glaube tatsächlich, dass wir uns spätestens mit der Corona-Pandemie dann alle viel zu sehr an solche Absagen gewöhnt haben.“ Eine auch in den Sozialen Netzwerken zu bemerkende Gereiztheit und Reflexhaftigkeit würde solche Entscheidungen, um es sich eher leicht zu machen und den Weg des geringsten Widerstands zu gehen, eher noch befeuern. „Auf dieser Basis sollte man aber keine vernünftigen Entscheidungen treffen“, so Monheims Stadtoberhaupt.

Wenn alles zum Schweigen gebracht wird, hat das Böse gesiegt

Der richtige Weg sei es nun, den Krieg gegen die Ukraine im Rosenmontagszug zu thematisieren. Zimmermann: „Dadurch können wir ein viel stärkeres Zeichen setzen, als wenn einfach alle nur zu Hause bleiben und die Tagesschau in Dauerschleife gucken.“ In Richtung der örtlichen Christdemokraten betont Monheims Bürgermeister zudem: „Wir sollten auch bedenken, dass der Karneval zum allergrößten Teil ehrenamtlich betrieben wird. Die Vereine haben über ein Jahr pausiert und jetzt alle Anstrengungen unternommen, um im Einklang mit den geltenden Corona-Bestimmungen ihr für die Gesellschaft wichtiges Brauchtum zu pflegen. Es kann nicht sein, dass die CDU sich nun auf dem Rücken der Karnevalsvereine profilieren will. Als Stadt werden wir die Gromoka jetzt aber auf keinen Fall im Regen stehen lassen. Wenn wegen der menschenverachtenden und völkerrechtswidrigen Politik der russischen Regierung, nun alle Sport-, Kultur- und Brauchtumsveranstaltungen abgesagt und damit letztlich auch Plattformen zum Meinungsaustausch und zur Äußerung von Kritik zum Schweigen gebracht werden, dann hat das Böse gewonnen. Wir brauchen Musik, Satire, Freiheit und friedlichen Protest. Und deshalb brauchen wir auch den Karneval.“ Die Große Monheimer Karnevalsgesellschaft fasst es so zusammen: „Für uns ist jeder Rosenmontagszug zuerst und vor allem eine Demonstration für den Frieden und ein gewaltfreies Miteinander.“ (ts)

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