Kleine Steine, große Wirkung: Stolpersteine als Teil der Erinnerungskultur

Rund 50 Gäste haben der diesjährigen Verlegung der Stolpersteine im Stadtgebiet beigewohnt, darunter Schülerinnen und Schüler der PUG

Künstler Gunter Demnig hat trotz anhaltendem Regen jeden einzelnen Stein in den Boden eingelassen. Fotos: Tanja Bamme

Maria Hubertine Rolland war eines der vielen Opfer der Massenmordaktion T4.

Gertrud Fittgen wurde getötet, weil sie eine geistige Behinderung hatte. Die Schülerinnen und Schüler der PUG legten an jeden Stolperstein eine weiße Rose als Zeichen des Gedenkens nieder.

Frieda Bauermann lebte am Gartzenweg in der Hausnummer 15, sie verlor ihr Leben aufgrund einer geistigen Behinderung.

Andrei Sergienko war Zwangsarbeiter in der Rheinischen Papierfabrik an der Industriestraße und fand in einem Sterbelager sein Ende.

Vor mittlerweile 20 Jahren wurde in Monheim am Rhein der erste Stolperstein verlegt. Mittlerweile lassen sich im ganzen Stadtgebiet 79 dieser kleinen Kunstwerke mit Messingplakette finden, die allesamt auf ein ganz persönliches Schicksal zur Zeit der Nationalsozialisten hinweisen. Bürgermeister Daniel Zimmermann konnte auch in diesem Jahr wieder Gäste zu weiteren Verlegungen begrüßen, darunter rund 20 Schülerinnen und Schüler der Peter-Ustinov-Gesamtschule (PUG) sowie Gäste aus der polnischen Partnerstadt Malbork. Die Schülerinnen und Schüler der PUG begleiteten die rund zweistündige Veranstaltung mit Musik- und Wortbeiträgen. Zudem legten sie an jedem Stolperstein eine weiße Rose als Zeichen des Gedenkens an die Opfer nieder. Trotz anhaltendem Regen folgten der Einladung mehr als 50 Anwesende. 

Der erste Stein wurde an der Frohnstraße 27 für Maria Hubertine Rolland verlegt. Die gebürtige Monheimerin erblickte am 14. August 1883 das Licht der Welt und wurde am 21. Mai 1930 aufgrund einer geistigen Behinderung in der Heil- und Pflegeanstalt Langenfeld-Galkhausen untergebracht. Fast elf Jahre später, am 2. Mai 1941, kam sie in die Tötungsanstalt Hadamar und wurde noch am selben Tag im Rahmen der Aktion T4 ermordet. Das T steht in diesem Fall für Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo die zentrale Dienststelle ihren Sitz hatte und die schrecklichen Massenmorde organisiert wurden. Der Stolperstein an der Frohnstraße 27 wurde nur temporär verlegt und verweilt aufgrund einer Baustellensituation vor Ort bis zur Fertigstellung im Stadtarchiv.

Mit dem Reisebus ging es für die Anwesenden zur zweiten Verlegestelle am Gartzenweg 15. Dort wohnte die am 10. April 1906 in Bergenhausen bei Simmern geborene Frida Bauermann. Auch sie kam mit einer geistigen Behinderung zur Welt und wurde am 6. November 1934 in die Heil- und Pflegeanstalt in Langenfeld-Galkhausen eingewiesen. Ihr Todestag ist derselbe wie von Maria Hubertine Rolland, auch Frida Bauermann ließ im Zuge der Aktion T4 ihr Leben in der Tötungsanstalt Hadamar.

Weltweit schon über 100.000 Stolpersteine verlegt

Der dritte Verlegeort führte die Gäste zur Kapellenstraße. Gertrud Fittgen, die am 6. August 1904 in Monheim am Rhein geboren wurde, lebte in der Hausnummer 10 gemeinsam mit ihrer Familie. Ihre ebenfalls geistige Behinderung war für die gerade einmal 36-jährige Frau ihr Todesurteil, sie wurde am 27. Juli 1938 in die Heil- und Pflegeanstalt Langenfeld-Galkhausen und später ebenfalls in die Tötungsanstalt Hadamar deportiert. Ihr Leben fand am gleichen Tag, dem 2. Mai 1941, ein jähes Ende.

An der Industiestraße 2 fand die rund zweistündige Veranstaltung ein Ende. Der letzte Stein wurde für den ukrainischen Fabrikarbeiter Andrei Sergienko verlegt, der am 4. August 1924 in Mykolajiw geboren wurde. Der Zwangsarbeiter musste seinen Dienst in der Rheinischen Papierfabrik leisten und wurde am 8. Dezember 1942 nach Monheim am Rhein gebracht. Ein Jahr später erkrankte Sergienko aufgrund der schweren Lebensbedingungen lebensgefährlich, er wurde in ein Krankenhaus nach Opladen überführt. Dieses überwies ihn in das Sammellager Gremberger Ring in Köln, das allseits als Sterbelager für Tuberkuloseerkrankte galt. Am 14. April 1944 verstarb Andrei Sergienko an offener Tuberkulose.

Gunter Demnig, Gründervater der Stiftung Spuren und Künstler der besonderen Erinnerungsstücke, hat im Jahr 1996 den ersten Stein in den Boden eingelassen, vor wenigen Tagen konnte er seinen 100.000 Stein verlegen. Auch in Monheim am Rhein wurden alle Steine eigenhändig von dem Künstler aus Alsfeld-Elbenrod verlegt. Zimmermann bedankte sich für das Engagement des Künstlers, aber auch bei allen Anwesenden. „Es gibt noch viel mehr Opfergruppen, die unter den Nationalsozialisten gelitten haben und denen wir gedenken sollten“, so der Bürgermeister, der weiter ausführte, dass die Erinnerung wachgehalten werden muss. „Die Erinnerung ist für uns auch eine Mahnung für heute, denn es muss noch viel passieren. Es gibt noch immer Menschen, die in unserer Gesellschaft ausgegrenzt werden und das darf nicht sein.“

Forschungsarbeit wird weiter vorangetrieben

Mit der diesjährigen Verlegung der Stolpersteine soll kein Schlusspunkt unter die Erinnerungsaktion gesetzt werden. Vielmehr versichert der Bürgermeister, dass auch weiterhin die Forschungsarbeit vorangetrieben wird. „Es gibt sicherlich noch unzählige Menschen auf der Welt, ganze Opfergruppen, die bisher noch nicht in den Fokus gerückt sind, die aber ebenso unter den Nazis gelitten haben. Auch in Monheim am Rhein“, ist sich Zimmermann sicher. Informationen und Hinweise über Personen, die im Zuge des Nationalsozialismus Ausgrenzung, Schmerzen und sogar den Tod erfahren haben, können dem Stadtarchiv per E-Mail unter [E-Mail]archiv@monheim.de mitgeteilt werden. Eine Liste aller bisher verlegten Stolpersteine sowie eine Karte mit allen Verlegeorten lassen sich in der Kategorie Stadtleben und Aktuelles/ [extern]Stolpersteine finden. (tb) 

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