Seit letztem Wochenende hat sich eine bemerkenswerte Stille über den fortan erstmal nur noch leise vor sich hinnebelnden Monheimer Geysir gelegt. Und auch so manch aufbrodelnde Seele darum scheint beruhigt.
Am Samstag, da war es noch einmal so richtig laut um das spektakuläre Natur-Kunstwerk von Thomas Stricker geworden. Zur Einweihung waren – trotz, oder vielleicht auch gerade wegen des beinahe schon isländisch anmutenden Wetters – so viele Menschen gekommen, dass Hunderte zunächst noch geduldig vor den Absperrungen ausharren mussten, bis die frühesten Besucherinnen und Besucher die ersten Ausbrüche bewundert und beklatscht hatten. Im Laufe des Tages werden es wohl weit über 2.000 Gäste gewesen sein. Und spät am Abend, als sich der Regen verzog, gab es für alle, die sich immer noch nicht an der auf magische Weise in jedem Licht ein wenig anders wirkenden Szenerie sattgesehen hatten, sogar tatsächlich noch einen traumhaften Sonnenuntergang über dem Rhein – so als verneige sich selbst dieser hochrot glühende Kopf noch einmal still vor dem neu Erschaffenen.
Den sonst so besonderen Moment der Stille, wenn künftig alle paar Wochen hier mal der Verkehr für wenige Minuten zum Erliegen kommt, um dann doch gleich wieder hektisch anzufahren, konnten die Gäste bei der feierlichen Einweihung wegen der Vollsperrung des Areals zwar nicht erleben, und doch schien über dem zuvor so hitzig diskutierten Kreisverkehr eine besondere Stimmung zu liegen.
Was waren sich nicht die Köpfe zuvor heißgeredet worden. Angefangen vor rund zwei Jahren schon beim Bund der Steuerzahler, da hatten es selbst viele Monheimerinnen und Monheimer noch gar nicht so richtig mitbekommen. Ein wenig Aufruhr sei bei dessen zahlreichen Vereinsmitgliedern in Zusammenhang mit Kunstprojekten zwar „wenig Neues“, konnte Gastrednerin Britta Peters, künstlerische Leiterin der Urbanen Künste Ruhr, am Samstag aus ihrem reichhaltigen Erfahrungsschatz berichten, doch zeigte sie auch Verständnis mit den eruptiven Empörungsreflexen. „Mit Protesten gegen die langweiligen Durchschnittskosten von 10 Millionen Euro pro Kilometer Autobahn lässt sich PR-technisch wohl kein Blumentopf mehr gewinnen.“ Dann also offenbar lieber mal ordentlich zum Monheimer Geysir Dampf ablassen. Und nicht Wenige stiegen herzlich gern mit ein: „Steuerverschwendung, Irrsinn, keine Kunst.“ Gebaut wurde er trotzdem.
Bürgermeister Daniel Zimmermann: „Ich verstehe unsere Stadt als Gemeinwesen. Kunst und Kultur gehören dazu.“ Diese Antriebsfeder stecke auch hinter der Förderung von Kunst im öffentlichen Raum. Monheim am Rhein verfolge nicht ohne Grund das Ziel, eine „Stadt für alle“ zu sein, unterstrich der Bürgermeister. „Wir sind die Stadt, die es als selbstverständlich ansieht, dass neben den neun christlichen Kirchen im Ort auch zwei muslimische Gemeinden ihre Gemeindezentren bauen und die das durch die Bereitstellung von Grundstücken unterstützt. Wir sind die Stadt, die Kindern und Jugendlichen jeglicher sozialen Herkunft gleiche Chancen auf Bildung und Entwicklung verschaffen will und dafür in Schulen, Kitas, Kultur und Bildungseinrichtungen investiert. Wir sind die Stadt, die neuen Technologien gegenüber aufgeschlossen ist und es zulässt, dass ein autonomer Bus, der sicherlich noch technisch weiterentwickelt werden muss, trotzdem schon heute durch die Innenstadt fährt.“ All das seien Ausprägungen einer gelebten Pluralität in der „Stadt für alle“, so das Stadtoberhaupt.
Offenheit für Anderes und Neues
Solche Pluralität –Vielfalt also, die Offenheit für Anderes und Neues – lasse sich nicht befördern, indem man erwarte, dass jedes einzelne Kunstwerk für sich betrachtet immer komplett konsensfähig sein müsse, wohl aber indem man darauf setze, dass eine große Mehrheit es richtig findet, dass eine Stadt überhaupt in Kunst im öffentlichen Raum investiert, und indem diese Mehrheit es aushält, dass darin auch Kunstwerke enthalten sind, die nicht jedem auf Anhieb gefallen. Zimmermann: „Sofern diese Kunstwerke von seriösen Künstlerinnen und Künstler gestaltet sind, die sich mit der Stadt und ihrem öffentlichen Raum auseinandergesetzt haben, gibt es kein Problem.“ Insbesondere auch dann nicht, wenn Komiker wie Mario Barth auf RTL oder der Bund der Steuerzahler dagegen zu Felde zögen. „Mich persönlich hat die engstirnige Kritik und die Art, wie sie von den genannten Seiten vorgetragen wurde, eher darin bestärkt, an dem Projekt festzuhalten“, unterstrich Zimmermann. „Wer, wenn nicht eine Stadt wie Monheim am Rhein, die über die Möglichkeiten verfügt, Kunst zu fördern, kann Künstlerinnen und Künstler davor schützen, aus der Öffentlichkeit schlimmstenfalls ganz verbannt zu werden?“ Es gab viel Applaus rund um den Monheimer Geysir an diesem Tag. Und es schien ein angenehmer Hauch von Freiheit zu wehen, wenn der Wind mal wieder die Nebelschwaden über dem Geysir hinwegtrieb.
Thomas Stricker selbst sprach an diesem Tag nicht vor dem großen Publikum, sondern nur in zahlreichen persönlichen Gesprächen mit den interessierten Menschen. Etwas für einen Kreisel machen zu müssen, das habe er immer irgendwie befürchtet, so der in Düsseldorf lebende Künstler mit einem leicht verschmitzten Augenzwinkern. Nicht leicht, denn die Natur hat in seinem gestalterischen Wirken schon immer eine ganz besondere Rolle gespielt. Etwas wie eine gegossene Skulptur in die Mitte auf einen Sockel stellen? Das kam für Stricker nun so gar nicht in Frage. Und so war die Grundidee war nach dem ersten kleinen Schrecken sogar relativ schnell geboren. „Ich wollte mit meiner Arbeit die Zeit umdrehen. Ich habe überlegt, was könnte da vorher in der Natur gewesen sein, um das man die Straße hätte herumbauen müssen“, so der Künstler. Die Antwort ist der Monheimer Geysir.
Eine Skulptur, die den Horizont erweitert
„Sie haben es geschafft, einer Fläche, die durch Verkehrsingenieure mit sehr viel Stein und Asphalt auf die optimale Funktion ausgerichtet wurde, einen völlig neuen Charakter zu geben“, lobte Bürgermeister Daniel Zimmermann in seiner Eröffnungsrede und hob die geschaffene Anmutung und Atmosphäre hervor. „Mit dem aufsteigenden Wassernebel, der über den Steinen schwebt, bevor er sich im Wind verflüchtigt, hat dieser Ort tatsächlich auch etwas Mystisches erhalten. Sie haben es geschafft, Herr Stricker, ein Stück anderer Landschaft wie mit der Bastelschere ausgeschnitten in Monheim am Rhein einzukleben. Und das macht Ihre Arbeit dann tatsächlich zur Kunst.“
Britta Peters zitierte in ihrer Rede auch nochmal den Künstler selbst aus einem bereits im Jahr 2011 geführten Gespräch: „Vielleicht ist eine Skulptur im besten Fall ein Ding, welches mir nicht die Sicht versperrt, sondern meinen Horizont erweitert.“ Keine Frage, das trifft auf den flach daliegenden Monheimer Geysir zu 100 Prozent zu. Er versperrt die Sicht nur für äußerst selten und lediglich für wenige Minuten, um den Horizont kurz darauf sofort wieder freizugeben – im Idealfall mit erweitertem Blick. Thomas Stricker hat an einem ganz besonderen Ort genau sein Ding, seine Überzeugung auf kunstvolle Weise realisiert – und mit ihm zahlreiche beteiligte Ingenieure, Techniker, Garten- und Landschaftsbauer.
Bürgermeister Daniel Zimmermann dankte ihnen allen gemeinsam, begleitet von einem klatschenden Publikum aus Gästen und Monheimerinnen und Monheimern die allein, mit Freunden oder der Familie gekommen waren: „Gemeinsam mit dem Künstler haben Sie uns allen ein Stück öffentlichen Raum zurückerobert – einen Raum, der den Bedürfnissen des Autoverkehrs auch bei uns viel zu häufig untergeordnet wird, der jedoch hier, am Monheimer Geysir, nun auch fürs Auge, für die Kunst und für die Menschen da ist. Der Weg hierhin war für uns alle nicht leicht. Ich danke Ihnen, Herr Stricker, dass Sie gemeinsam mit den Beteiligten bei der Stadt die Häme, die Kritik und die Satire ausgehalten haben. Ich denke, es hat sich gelohnt. Und allen Monheimerinnen und Monheimer sage ich mit Blick auf die Kunst und den schon angesprochenen Pluralismus: Lassen Sie uns als Gesellschaft die Neugier auf das Unbekannte, den Spaß am Neuen und Außergewöhnlichen bewahren und lassen Sie uns Künstlerinnen und Künstler dabei unterstützen, uns ihre Perspektive auf die Welt im Allgemeinen und diese kleine Stadt im Besonderen zu präsentieren.“ (ts)
Hintergrund:
Der Monheimer Geysir ist ein von Hand geschaffenes Naturphänomen, dem es gelingt, den sonst scheinbar ruhelos dahinfließenden Autoverkehr minutenweise zum Erliegen zu bringen. Seine von immer stärker aufsteigenden Nebelschwaden angekündigte und dann schließlich bis zu zwölf Meter hoch aufschießende Wassersäule fasziniert in ihren stetig wechselnden skulpturalen Formen. Die Ausbrüche erscheinen chaotisch, wild und unvorhersehbar. Wie lange der Monheimer Geysir bis zum nächsten Mal ruht? Niemand weiß es! Zwischen den Ausbrüchen werden manchmal Tage, oft Wochen oder sogar Monate liegen. Denn immer erst wenn 64 Sonnenstunden gesammelt sind, wird es rund um die umnebelte Insel im Kreisverkehr am Rhein langsam wieder aktiver. Erst dann wird sich eine konkretere, doch immer noch vage, Prognose erstellen lassen. Jetzt müssen Wind und Temperatur noch passen, damit die nächste Ausbruchsphase erfolgen kann. Das Verfolgen des Monheimer Wetters lohnt sich also. Möglich ist das unter www.monheim.de/geysir, auf der die Ausbruchsprognosen für den Monheimer Geysir angezeigt werden. Sie dauern jeweils ungefähr vier Stunden. In diesen vier Stunden wird es erhöhte Nebelaktivität, immer wieder kleinere sowie vier größere Ausbrüche geben, für die der Verkehr viermal durch Ampelschaltungen für drei bis fünf Minuten gestoppt wird.
Die vollständige Rede des Monheimer Bürgermeisters gibt es hier.