Hinschauen statt Wegsehen! – Nun erinnern 14 Stolpersteine an ermordete Mitmenschen

Ernst Kolisch wurde am Monbag-See verraten und im KZ Buchenwald getötet

Der für Ernst Kolisch verlegt Stolperstein ist der 14. im Stadtgebiet. Die vom Künstler Gunter Demnig geschaffenen Steine für zwölf weitere jüdische Mitbürger und den katholischen Pfarrer Franz Boehm wurden bereits im Dezember 2003 gesetzt. Foto: Thomas Spekowius

Dreizehn Stolpersteine im Stadtgebiet hielten bislang die Erinnerung an Monheimer Mitmenschen wach, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt und ermordet wurden. Seit Donnerstag dieser Woche sind es 14! Denn nun hat auch Ernst Kolisch seinen Stein. Er ist am historischen Kiesbagger neben dem Monbag-See, an der Opladener Straße, eingebettet worden.

„Wer hätte vor rund anderthalb Jahren, als wir mit den Vorbereitungen für diese weitere Stolperstein-Verlegung begannen, wohl gedacht, dass dieses Thema bei uns wieder so an Aktualität und Bedeutsamkeit gewinnen würde“, mahnte Bürgermeister Daniel Zimmermann bei einer kleinen Gedenkstunde mit Blick auf die aktuelle Flüchtlingsdebatte sowie landesweit immer mehr fremdenfeindliche Übergriffe und brennende Notunterkünfte.

In seiner Ansprache und in dem Bericht des Monheimer Geschichtsforschers Dr. Karl-Heinz Hennen ging es am Donnerstagabend daher konsequenterweise nicht nur um die Opfer von Fremdenhass, sondern auch um die Täter, um Denunziantentum und Verrat – der offenbar auch im Falle Kolischs aus purer Lust heraus geschah, einem menschenverachtenden Weltbild folgend. Und es ging um kollektives Wegsehen, um Schweigen, ja um unterlassene Hilfeleistung. Auch die Verräter und vor allem die an der Verurteilung Ernst Kolischs beteiligten behördlichen Akteure und Mörder hatten nur wenig zu fürchten, legten nach dem Ende der NS-Terrorherrschaft in der Bundesrepublik zum Teil weiterhin erstaunliche Karrieren hin und erfreuten sich anschließend bester staatlicher Renten. 

„Fremdenfeindlichkeit ist offenbar zeitlos“

„Fremdenfeindlichkeit ist offenbar leider auch bei uns ein zeitloses Thema“, konstatierte Bürgermeister Daniel Zimmermann bei der Kranzniederlegung an Kolischs Stolperstein. „Seine Verräter hatten persönlich nichts von dem Verrat, keinen einzigen Vorteil. Es wäre ihnen nicht schlechter ergangen, wenn sie einfach nur den Mund gehalten hätten.“ Doch sie hielten ihn nicht. Auch deshalb ist es Monheims Stadtoberhaupt so wichtig, heute gemeinsam das Wort an der richtigen Stelle zu erheben und eben nicht wegzusehen, sondern bürgerliche Stärke und Zusammenhalt zu zeigen, wenn es darum geht, entschlossen allen Versuchen entgegenzutreten, offenen Fremdenhass wieder gesellschaftsfähig zu machen. Auch deshalb ein Monheimer Fest der Kulturen, wie es am 24. Oktober rund tausend Menschen gemeinsam auf der Krischerstraße gefeiert haben.

Der 1891 in einem kleinen tschechischen Dorf mit jüdischer Gemeinde geborene Ernst Kolisch hätte mehr solcher Menschen gebraucht. Erst die Arbeiten des Historikers Dr. Karl-Heinz Hennen zu seinem 2014 erschienenen Buch über die „Geschichte der Juden in Monheim“ machte das Schicksal des Mannes bekannt, der im September 1944 bei der Kies- und Sandbaggerei Schwartner am heutigen Monbag-See beschäftigt war. Aufgrund der Denunziation durch einen LKW-Fahrer bei der Tochter von Kolischs damaliger Zimmervermieterin im „Waldschlößchen“, der eigentlich eine Personen-Verwechslung zugrunde lag, geriet Kolisch in die Fänge der Gestapo. Dort fand man bei der Leibesvisitation Zettel in seinen Taschen, auf denen er ihm zuvor von einer Kollegin auf der Arbeit zugeschobene BBC-Radiomeldungen zum Vorrücken der alliierten Streitkräfte mit den Worten „Bravo“ kommentiert hatte. Sein Todesurteil. Am 1. Dezember 1944 wurde Kolisch in das Konzentrationslager Buchenwald überführt. Dort verstarb er am 26. März 1945 nach zahlreichen Krankheiten infolge der katastrophalen Haftzustände völlig abgemagert. Auf seiner Häftlingskarteikarte wurden in dem Feld „Entlassung“ ein Balkenkreuz und das Todesdatum eingetragen. (ts)

Bei der Verlegung des Stolpersteins dankte Dr. Karl-Heinz Hennen ausdrücklich dem Rechtshistoriker Michael Emmerich, der bei Forschungen zuerst auf Kolischs Schicksal gestoßen war und Hennen seine Recherchen für das von der Stadt Monheim am Rhein herausgegeben Buch zur „Geschichte der Juden in Monheim“ zur Verfügung gestellt hatte.

Zum 77. Jahrestag der Novemberpogrome lädt die Stadt an diesem Montag, 9. November, zu einer Gedenkstunde in die Evangelische Altstadtkirche an der Grabenstraße ein. Es sprechen Pfarrer Falk Breuer und Bürgermeister Daniel Zimmermann. Musikalisch umrahmt wird die Gedenkstunde vom Jugendblasorchester der Peter-Ustinov-Gesamtschule und der städtischen Musikschule. Nicole Maas und Luca Reuvekamp, Schüler des Otto-Hahn-Gymnasiums, tragen „Lyrik gegen das Vergessen“ vor. Beginn ist um 18 Uhr.

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